Golf à la Suisse

An der Sieben gab’s auch für Severiano Ballesteros nichts zu verbessern. Die Sieben auf dem Parcours Plan-Bramois des Golf Clubs Crans-sur-Sierre gilt schon seit jeher als eine der spektakulärsten Golfbahnen der Schweiz. Dabei ist das gerade mal 260 Meter lange Par-4-Loch vor allem bei notorischen Slicern gefürchtet: Das Fairway hängt stark nach rechts und bestraft verzogene Abschläge gnadenlos. Gol­f­erisch gewiss nicht jedermanns Sache, diese Sieben. Dennoch zählte eine US-Golfzeitschrift Loch 7 des in 1500 Metern Höhe gelegenen 18-Loch-Championship-Platzes von Crans-Montana zu den „40 schönsten Golflöchern der Welt“. Und niemand, der Augen hat, würde da widersprechen. Denn genau am Grün der Sieben endet einer der malerischsten Sonnenbalkone der Schweizer Alpen. Hier fällt das Hochplateau von Crans-Montana jäh ab ins rund tausend Meter tiefer gelegene Rhone-Tal. Der Blick schweift weit über das die Walliser Alpen zerschneidende Tal und hinüber zu den „Königsgipfeln“ von Matterhorn, Monte Rosa und Mont Blanc. Plan-Bramois war schon immer – seit 1906 ein paar englische Gentlemen hier einen ersten Golfplatz bauten – mit das Höchste, wenn es um Golf à la Suisse ging.

Seit gut zehn Jahren kommt der Edel-Parcours den Top-Golfern aus aller Welt, die alljährlich im September auf dem Plan-Bramois das renommierte „European Masters“ austragen, reichlich spanisch vor. Im besten Sinne, versteht sich: Unter der fachlichen Leitung von Severiano Ballesteros, viele Jahre lang Stammgast in Crans-Montana, wurde der von vielen für zu leicht befundene Platz deutlich verschärft mit zusätzlichen Bunkern an kniffligen Stellen und neu modulierten Plateau-Grüns. Folgerichtig firmiert der Plan-Bramois seither als „Parcours Severiano Ballesteros“. Kaum ein anderer Schweizer Tourismusort ist so golfverrückt wie Crans-Montana. Keiner vermarktet diesen Sport seit Jahrzehnten so professionell und erfolgreich, nirgendwo sonst liegen die Golfplätze so mitten im Ort und vor der Nase der Hotelgäste. Kaum eine Drive-Länge vom 18. Grün des Ballesteros-Platzes entfernt, kann der auf den Geschmack gekommene Urlaubsgolfer gleich auf die nächste Runde gehen: Der große Jack Nicklaus gab einem exquisiten 9-Loch-Kurs zwischen den Ortskernen von Crans und Montana seine Handschrift und seinen Namen.

Golfgenuss auf ganz hohem Niveau bietet Alpengolf nicht nur im Wallis, sondern auch dort, wo die Eidgenossenschaft ihren Anfang nahm: am Vierwaldstätter See. Die „Uri“, einer jener fünf noch erhaltenen altertümlichen Raddampfer, nach deren präzisem Fahrplan zwischen Luzern, Kehrsiten zu Füßen des Bürgenstocks und Brunnen man noch immer seine Schweizer Armbanduhr stellen könnte, dampfte gerade seit zwei Jahren mit wehendem Schweizer Kreuz am Heck über den See, als 1903 hoch über dessen Nordwestufer der Lucerne Golf Club den Spielbetrieb aufnahm – als dritter Schweizer Club nach Engadin-Samedan (1893) und Montreux (1900). Knapp 90 Jahre nach seinem Entstehen erhielt der Platz in schöner Lage über dem See ein gründliches Facelifting. Seither zählen nicht nur Luzerner Lokalpatrioten die „golferische Rütli-Wiese“ wieder zu den bes-ten Plätzen in der Schweiz. Gleichwohl wird der Golfveteran der Zentralschweiz seit 1994 durch einen Nachbarn noch getoppt, in sportlicher wie optischer Hinsicht: Die nahe Golfanlage Sempacher See stieß mit gleich zwei vom Deutschen Kurt Rossknecht designten, sehr anspruchsvollen Meisterschaftsplätzen in zuvor in der Schweiz unbekannte Golfdimensionen vor.

Die Plätze auf einer Sonnenterrasse hoch über Luzern entpuppen sich für Flachland-Golfer als tückische, schier unausweichliche Handicap-Fallen. Der Grund: Das atemberaubende Panorama lenkt permanent vom konzentrierten Spiel ab. Da versagt vor lauter Augenschmaus das Augenmaß beim Putten. Spätestens nach der halben Runde haben die Berge gewonnen. Aber wo in aller Welt, mag sich der Besiegte trösten, gibt es steilere Entschuldigungen für einen „flachen“ Score? Und wer gäbe nicht bereitwillig das eine oder andere Par her für diesen schier unfassbaren Blick auf Rigi, Pilatus und Bürgenstock, auf die Schnee- und Eisgipfel von Urirotstock, Titlis und Brienzer Rothorn und die ganze majestätische Gipfelwelt im Süden – gut und gerne hundert Kilometer Alpenpanorama live und in 3-D …? Mehr Bilderbuch-Schweiz ist nirgendwo.

Es sei denn, man sieht’s durch die Augen von Franz Rosskogler. Der 65-jährige eifrige Freizeitgolfer ist Chef der Edelherberge „Le Grand Chalet“ hoch über dem Nobel-Ferienort Gstaad im Berner Oberland. Und wenn man von seiner Terrasse über die idyllischen Täler des Saanenlandes und bis hinüber zu den fernen, schneebedeckten Höhen von Les Diablerets blickt, stimmt man bereitwillig seiner Behauptung zu: „Gstaad ist das schönste Bergdorf der Schweiz!“ Gstaad, urteilen viele, sei eine kleinere Version des mondänen Sankt Moritz. Mit ähnlich hoher Promi-Dichte. Nur viel kleiner, ruhiger, diskreter. Nicht so marktschreierisch wie der große Konkurrent im Engadin. Aber auf ebenso hohem Niveau. Kulinarisch zum Beispiel: Rund ein Dutzend der begehrten GaultMillau-Hauben haben die Spitzen-Restaurants von Gstaad ­gesammelt. Zwei davon und stolze ­16 (von 20 möglichen) GaultMillau-Punkte gehören dem Elsässer Steve Willie, dem Küchenchef vom Gourmetrestaurant „La Bagatelle“ in Franz Rosskoglers Grand Chalet. Und auf noch einen Punkt mehr kann Maitre Robert Speth verweisen. Nicht zuletzt dank seiner vorzüglichen Küche gilt das Clubhaus vom Golfclub Gstaad-Saanenland als eines der besten der gesamten Schweiz.

Der Golfplatz selbst, 1962 unter der Ägide von David Harradine an den Hängen eines stillen Seitentals, am Rande eines Naturschutzgebietes und eines Flachmoors, als 9-Loch-Platz eröffnet und 1999 von dessen Sohn Peter auf 18 Löcher erweitert, ist ohne Zweifel einer der schönsten alpinen „Bergziegenplätze“ überhaupt – und überraschenderweise ohne überteuerte Greenfees. Arg ins Geld kann das hochalpine Golferlebnis freilich dadurch gehen, dass von dem Platz auf so manchen Spieler, wenn er ihn erst einmal kennengelernt hat, eine ziemlich starke Suchtgefahr ausgeht ...

Wie zum Beispiel auf diesen superreichen Amerikaner, der viele Jahre immer wieder im Le Grand Chalet abstieg, weil er dort sein Bergparadies, sein ganz persönliches „Top of Europe“ gefunden hatte. Und der dem schwierigen, aber auch ungemein reizvollen Golfplatz regelrecht verfallen war. Lag’s am tollen Wetter, an der gesunden Bergluft, am guten Essen, an der vergnüglichen Golfrunde mit dem humorvollen Hotelchef? Jedenfalls drückte er am Abreisetag Franz Rosskogler statt eines Trinkgelds einen Autoschlüssel in die Hand. For good. Der Schlüssel paßte in das Zündschloß eines Ferrari Testarossa. Gastgeschenk Swiss Style. Gstaad ist eben ein sehr schönes Schweizer Bergdorf. Und ganz weit oben.

Wolfgang Weber

 

52 - Herbst 2012