Schönstes Haus am Platz

Ein trutzig trotzig wirkender Fremdkörper ist das Haus Huth, bei dessen Anblick einem seltsam warm ums Herz wird. Als einziges altes Bauwerk in der Gegend verbindet es die neuen glänzenden Fassaden des Potsdamer Platzes mit der Vergangenheit.

Das 1912 von Conrad Heidenreich und Paul Michel erbaute Gebäude hat sich immer wieder behauptet. Dabei gab es zahlreiche Anfeindungen im Laufe der Jahrzehnte. Die größte Gefahr für das Haus ging sicher im zweiten Weltkrieg von den Bomben der Alliierten aus. Doch dank seiner innovativen Stahlskelettkonstruktion hielt das imposante Gebäude mit der grauen Muschelkalkfassade stand. Lange stand es während des Kalten Kriegs einsam auf der zugigen Brache des Potsdamer Platzes, ganz in der Nähe der Berliner Sektorengrenze und später der Mauer. Eine wenig attraktive Lage also, die Willy Huth bereits 1958 zur Aufgabe seiner „Schoppenstube“ bewog. Die Namensrechte des traditionsreichen „Weinhauses Huth“ wurden verkauft. Zehn Wochen vor dem Mauerbau 1961 versuchte es noch einmal eine Pächterin des Hauses mit dem Restaurant „Wiener Heurigen“. Doch in der Nacht zum 13. August 1961 erwartete die Frau eine böse Überraschung, als unmittelbar vor ihrer Haustür Stacheldraht ausgerollt wurde. Kurze Zeit später stand hier eine hohe Mauer aus Beton. Das Lokal schloss im Herbst 1961. Nach dem Tod Willy Huths verkauften seine Erben das Haus dem Berliner Bezirk Tiergarten, der hier Sozialwohnungen einrichtete. Die Gegend um den Potsdamer Platz wurde im Laufe der kommenden Jahrzehnte immer mehr beräumt. Neben dem „Haus Huth“ waren es nur Teile des Hotels „Esplanade“, die verschont blieben. Die Überreste des „Hauses Vaterland“, einst ein bekannter Restaurant- und Vergnügungstempel, sind noch in den 1970er Jahren den Abrissbirnen zum Opfer gefallen. Eine Stadtautobahn – die sogenannte Westtangente – war hier von Senatsseite lange geplant. Die Tage auch des „Hauses Huth“ schienen gezählt. Doch Bürgerinitiativen leisteten hartnäckigen Widerstand gegen die Autobahnpläne. „Grüntangente statt Westtangente“ hieß auch im Bezirk Tiergarten ihre Devise. Die Aktivisten setzten sich am Ende durch, die Pläne wurden aufgegeben. Gute Nachricht für das nun denkmalgeschützte „Haus Huth“: Es blieb erhalten und wurde von 1982 bis 1987 gründlich saniert.

1989 erlebten die Mieter des Hauses erneut ein prägendes Kapitel deutsche Geschichte. Die Mauer fiel, und der Potsdamer Platz war plötzlich keine Randlage mehr, sondern beste Citygegend.

1990 kaufte die Daimler-Benz AG das Areal um das „Haus Huth“ und bezog es in seine Bebauungspläne mit ein. So wurde das alte Haus zu Beginn der Bauarbeiten mit einer dicken Betonbohrpfahlwand umgeben, um es vor dem Abrutschen in die umliegenden Baugruben zu schützen.

Heute verbindet sich das „Haus Huth“ wieder mit traditionsreicher Berliner Gastronomie. Lutter und Wegner hat hier eine Dependance und auch Café Möhring. Die oberen Etagen gehören der Kunst. Die Daimler-Benz AG zeigt hier in der Galerie Daimler Contemporary regelmäßig Teile ihrer Sammlung moderner Kunst.

Karen Schröder

 

Information
Wolf Thieme: Das Weinhaus Huth. Die wechselvolle Geschichte einer Berliner Legende am Potsdamer Platz. Berlin Edition 2002

 

53 - Winter 2012/13
Stadt