Nestwärme, egal wo wir sind

Die modernen Feuerstellen können heute überall sein. Sie sind transportabel und benötigen keinen Schornstein mehr. Kamine in vielfältigem Design und mit modernen Technologien haben Hochkonjunktur. Ohne Feuer eben kein Leben!

Ein Feuerchen knistert. Kastanien platzen in der Hitze. Rauch will aufsteigen, aber der Wind bläst ihn bald in die, bald in jene Richtung, und die Umstehenden fächeln mit ihren Händen oder wechseln die Plätze und schwatzen und lachen dabei. Kinder tollen herum. Sie genießen das Geheimnisvolle solcher Abende. Ein Herbstfeuer mit Nachbarn. Sie haben Laub zusammengeharkt. Dazu gibt es Grog oder Korn. Später glimmen an jeder Straßenecke die Überreste der Laubfeuer. – Das war lange bevor Emissionswerte zum ökologischen Denken gehörten und die Blätter zum Kompostieren gebracht wurden. Die Feuerlust aber hört nicht auf und hat viel Spielmöglichkeiten gefunden: Kerzen nicht nur zu den Feiertagen, sondern rund ums Jahr. Feuerschalen, Feuerkörbe, offene Grillplätze in der Küche, Kamine oder Kaminöfen innen und außen. Dem pyromanischen Bedürfnis sind vielerlei Chancen eröffnet. Feuer im positiven Sinne – man weiß es ja – gehört nicht von ungefähr zu den Elementelehren der Griechen und Asiaten, zu Ritualen und Feiern. Das Feuer hat entscheidenden Anteil an der Menschwerdung. Es gehört seit der Altsteinzeit zu uns. Es wärmt, gibt Licht und Schutz und macht Speisen schmackhaft und bekömmlich. Überhaupt bereitet es Spaß, weil es auf Denken und Emotionen eine mobilisierende Wirkung hat. Wir verbinden es in der europäischen Kultur mit jenem den Menschen zugewandten Halbgott Prometheus, der – und hier spricht Goethe – selbstbewusst Zeus wissen lässt, dass er ungeachtet (allerdings nicht unbestraft) des göttlichen Machtanspruchs das Feuer habe, das den Menschen dient. Feuer ist also auch Aufklärung. Seine immensen destruktiven Kräfte und Initiationsfunken seien hier ausgeblendet.

Das domestizierte Feuer findet man in einer fast unübersehbaren Vielfalt an Feuerstellen für zu Hause. Zuerst wären da die Kamine zu nennen. Wer irgend kann, baut sich einen Kamin ein – ein Boom, der, wie Kai Schumann von der Berliner Kaminfabrik erzählt, seit Jahren wächst. Nicht nur im Privatbereich oder traditionell auf dem Land. Erst recht große Hotels mitten in der Stadt (Mani, Torstraße, Hyatt, Potsdamer Platz, Motel One) wollen nicht mehr auf die faszinierenden Stimmungsmacher verzichten. Das Zuhause ist überall. Wir reisen und finden Nestwärme, egal wo wir sind, so beschreibt die niederländische Trendforscherin Li Edelkoort einmal mehr den voranschreitenden Zeitgeist, für den sich Technologen und Designer mit ökologischen Innovationen ins Zeug legen. Was relativ konstant bleibt, ist die Vorliebe für einen Purismus der Form – egal ob Schichtholz- oder Gaskamin. Die Kamine sind eckig oder rund, aus Rohstahl oder Gussaluminium, patiniert, weiß, schwarz und grau gehalten. Sie sind klassisch gemauert oder hängen wie ein Bild an der Wand. Tragbare Kamine ohne Schornsteinbedarf und auf Bioölbasis gehören längst zum Trend und erlauben größtmögliche Flexibilität wie beispielsweise Ethanol-Kamine: offene Feuer im modernen Design, überall einsetzbar.

Die minimalistischen „Flatscreens“ haben das Zeug zum Klassiker. Auch schlichte, gemauerte Querformate und Feuerlinien harmonieren mit Architektur und Ambiente, wie der Designer Peter Maly betont, der für die Firma conmoto Kamine entwirft. Es gibt auch jene monumentalen Wandfeuerstellen in Natursteingrau, die ob ihrer Strenge und Größe an orientalische Portale denken lassen. Meditation ermöglichen „feuerspuckende“ Steine, und den freien Rundumblick in das Flammenspiel gewähren „Aquarien“, deren tänzelndes Licht wohlig den Raum erfüllt oder durch Verspiegelung bzw. polierten schwarzen Marmor ins Exzessive gesteigert werden kann. Eine Ikone ist der seit 1968 gebaute Kamin „Gyrofocus“ von Dominique Imbert. Es ist weltweit der erste frei hängende und um 360° drehbare Kamin und sieht aus wie eine flache Muschel, die sich für ein kostbares inneres Lodern ein wenig öffnet.

„Schön sind Projekte, mit denen man an die Grenzen des Machbaren stößt“, sagt Kai Schumann, der gerade einen offenen Grill für ein Potsdamer Hotel mit Barcelonafeeling baut und selbst im stimmungsvollen Ambiente Innovationen aus Skandinavien, Deutschland oder der Schweiz anbietet. Wichtig aber sei, so der ehemalige Ofenbaumeister und Lehrausbilder, dass man den Kaminwunsch bereits in die Planungsphase integriert, weil Schornsteindurchmesser und Sauerstoffzufuhr wichtig sind, für deren Dimensionierung die  Bundesemissionsschutzverordnung verbindliche Richtlinien vorgibt. Der heute erreichbare hohe Wirkungsgrad der Kamine (Wärmespeicherung und Warmluftabgabe) allerdings steht häufig im Widerspruch zum realen Bedarf, zumal bei Hausausstattungen mit Fußbodenheizung und hermetischer Dämmung. „Es kommt häufig vor“, so der Kaminbauer, „dass man einen 11-Kilowatt-Kamin in ein Haus stellt, das mit sechs kWh Heizleistung schon bullig warm wird.“ Ungeachtet dessen wächst der Bedarf nach Zuheizungsmöglichkeiten. Es ist eine Vertrauensfrage an die Energiekosten, dass man Schnittholz oder Pellets als Alternativen zu Öl und Gas favorisiert. Hier sei die Firma Kago stellvertretend genannt. Sie bietet verschiedene Energie-Spar-Systeme an. Bis zu 60 Prozent Heizkos­ten ließen sich senken – so die Werbung. Allerdings nur, wenn man ganze Systeme aus Solarthermie und einem wasserführenden Kamin auf Pelletbasis miteinander kombiniert. Nicht nur ein Fest fürs Auge sind Kaminöfen. Hier etwa das Hänge-Modell „Pharaos Interior“ der niederländischen Firma Harrie Lenders. Egal, ob Kamine in der Küche oder im Wohnbereich, ja selbst auch im Bad stehen oder eben die Räume ohnehin offen sind, man guckt ins Feuerchen. Man kommt zur Ruhe und hat es mit wenigen Handgriffen warm. Die angefachte Kultur des Feuers hat mit einer Orientierung auf das eigene Zuhause als Kokon zu tun, ebenso mit jenem Trend zu mehr Gemeinschaftlichkeit. Egal, ob man mit der Familie und/oder Freunden kocht oder symbolisch und real am Feuer sitzt. Man könnte sagen, jeder kennt jemanden, der so oder so ein Feuer entzünden kann. Winterfeuer sind ein Zauber für sich. Schnee ist willkommen. Auch Frost darf klirren. In der Feuerschale stapeln sich Äste, und es züngeln die Flammen in ihrem wärmenden Blau-Orange. Feuerschalen – diese modernen Nachfahren der uralten Opferstätten – bilden im Garten das Zentrum eines aufgeweckten Zusammenseins. Wie heißt es so schön – „die Revolution kann warten!“. Vom Grill her duften Speisen.

Anita Wünschmann

 

53 - Winter 2012/13