Berlin-Macher

Wir stellen sie in jeder Ausgabe vor, die Berlin-Macher. Diesmal Gerhard Kämpfe und Mario Hempel

Gegensätze ziehen sich an. In Beziehungen ist das keine Seltenheit. Und so ist es auch bei der Beziehung zwischen Gerhard Kämpfe und Mario Hempel, die sich trotz unterschiedlichster Biografien zu einer 17-jährigen Männerfreundschaft entwickelt hat. Daran ändert auch nichts, dass beide gemeinsam geschäftlichen Erfolg haben und ihre Namen untrennbar mit den Hauptstadt-Highlights „Classic Open Air“ auf dem Gendarmenmarkt und „Pyronale“ auf dem Maifeld verbunden sind. Sie sind, wenn man so will, das Dreamteam der Berliner Veranstaltungs- und Unterhaltungsbranche.

Auf der Treppe, im Vorbeigehen sozusagen, lernen sie sich 1992 im Friedrichstadtpalast kennen, zu dessen Überleben Kämpfe nach der Wende maßgeblich beiträgt. „Der war ziemlich relaxed gekleidet“, erinnert sich der heute 60-Jährige, der auf eine klassische West-Sozialisierung zurückblickt. Geboren in Hamburg, wächst er in Berlin auf, stößt sich in Paris und Wien seine Hörner ab und kommt 1969 als Werbekaufmann zurück in die damals noch geteilte Stadt. Bernhard Brink, Roland Kaiser und die Messengers gehören zu seinen Kunden, die er produziert und managt. Georg Danzer verhilft er zur Goldenen Schallplatte.
Die Erfolge steigen dem „Rucksack“-Berliner, wie er sich selber nennt, nicht zu Kopf. Kämpfes Credo ist so einfach wie vorbildlich: „Behandele die Leute gut, die dich auf dem Weg nach oben begleiten. Sie begleiten dich auch auf dem Weg nach unten“, will sagen, dass man immer fair und nicht arrogant mit seinen Mitarbeitern umgehen soll.

Was das betrifft, tickt auch Mario Hempel so: „Autos bauen keine Autos, und Autos kaufen keine Autos“, verdeutlicht er, dass man die Menschen nicht aus den Augen verlieren darf. Dass es sich dabei nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt, beweist alleine schon die Betriebszugehörigkeit seiner rund 240 Mitarbeiter. „Viele sind fünf bis 18 Jahre dabei“, ist der Inhaber einer Catering-Firma und einer Sponsoring-Agentur sichtlich stolz. Und dieser Unternehmer hat, im Gegensatz zu Kämpfe, eine lupenreine Ostbiografie vorzuweisen, die mit der Geburt in Berlin beginnt, mit einer Instandsetzungsmechaniker-Lehre, der Gründung der Rockband „Duo Report“ inklusive einiger Hits in den DDR-Charts und der Dienstzeit bei der NVA weitergeht und mit der Wende ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.
Der heute 49-Jährige geht nun nach Frankfurt/Main und heuert bei einer Catering-Firma an. Und obwohl er die Gesetze des Marktes in seinem „ersten Leben“ in der Planwirtschaft nicht gelernt hat, erweist er sich als ausgesprochen flexibel und äußerst lernfähig. Jedenfalls macht er schnell Karriere, steigt zum Vertriebsleiter auf und erarbeitet sich all das, was er dann bei der Gründung seiner eigenen Firma offensichtlich geschickt umsetzt.

Nachdem sich Kämpfe und Hempel begegnet sind, lernen sie sich schnell kennen und schätzen. Für Kämpfe ist Hempel der ideale Netzwerker, jemand, der Menschen zusammenbringt, vor allem weil er erkennt, „wer etwas hat und wer etwas braucht.“ Für Hempel wiederum ist Kämpfe jemand, der „mit Künstlern umgehen kann wie kein anderer, der trägt und motiviert.“
Gemeinsam nehmen sie in Berlin das Projekt „Classic Open Air“ in Angriff, das eine Erfolgsgeschichte sondergleichen wird. Weltstars geben sich in all den Jahren die Klinke, oder besser gesagt, das Mikrofon in die Hand. José Carreras beispielsweise, der begnadete Star-Tenor, singt bei der Festivaleröffnung 1992 ebenso wie in diesem Sommer, als das Festival zum 18. Mal stattfindet. Nachdem sich die Erfolgsgeschichte ziemlich schnell abzeichnet, legen Kämpfe und Hempel nach und initiieren 1994 ein „Classic Open Air“ auch in Magdeburg – wiederum erfolgreich, versteht sich.
Doch damit nicht genug. Gleichsam, als hätten Kämpfe und Hempel Langeweile, denken sie sich immer wieder etwas Neues aus und starten 2006 mit der ersten „Pyronale“, einer Feuerwerksshow, die im wahrsten Sinne des Wortes zündet. Am 4. und 5. September dieses Jahres findet das World-Championat bereits zum vierten Mal statt.

Der Erfolg der beiden basiert auf einer „absoluten Vertrauensbasis“. „Wir können Stunden zusammen sein, ohne auch nur ein Wort über das Geschäft zu reden“, beschreibt Kämpfe ihr Verhältnis zueinander. Dazu trägt sicherlich bei, dass auch die Frauen sich verstehen. Hempel ist verheiratet, Kämpfe seit zwölf Jahren mit der Schauspielerin Nadine Schori aus dem Friedrichstadtpalast zusammen.
Was die Hobbys betrifft, steht bei den beiden die Musik an erster Stelle. Hempel sammelt alles, was sich nach Rock und Pop anhört, und kann dies auch stundenlang genießen. Kämpfe mag jede Form von Musik, die für ihn „an sich jungfräulich“ ist und Menschen zusammenbringt. Dabei weiß er um die Gefahr, wie schnell Menschen über die Musik zu manipulieren sind: „Kollektives Verhalten ist ein sehr dünnes Eis.“
Hempel nickt und ist wie Kämpfe der Ansicht, dass das derzeit kontrovers diskutierte und äußerst umstrittene Ultimate Fighting „megabrutal, unästhetisch und gefährlich“ und für beide als mögliche Veranstaltung auf gar keinen Fall ein Thema ist. „Geld ist Mittel zum Zweck, nicht der Zweck selbst“, sind Kämpfe und Hempel sich einig, die ganz andere Zukunftspläne im Kopf haben.
Für Hempel ist das eher ein Riesenfestival im Umfeld Berlins nach dem Vorbild „Rock am Ring“, das in der Nähe des Nürburgrings stattfindet und im nächsten Jahr auf 25 Jahre zurückblicken kann. Während diese Idee eher auf ein Massenpublikum abzielt, geht es bei Kämpfes Vision wesentlich filigraner zu. Er möchte in der Stadt ein Theater gründen, in dem nur Stücke (ur-)aufgeführt werden, die aus der Feder Berliner Autoren stammen und sich um Berlin drehen. „Das darf dann auch ruhig mal was Kritisches sein“, ergänzt er nicht ohne Hintergedanken. Ob beide ihre Ambitionen für realistisch halten? Wer bei dieser Frage die Augen von Gerhard Kämpfe und Mario Hempel gesehen hat, hat keine Zweifel, dass sie auch in die Tat umgesetzt werden.

Detlef Untermann

40 - Herbst 2009