Schlagen, treten, greifen

 „Wenn du blaue Flecken magst, bist du hier richtig!“, sagt die Sportsfreundin beim Umkleiden vor der ersten Krav-Maga-Stunde. Immer mehr Menschen wollen sich in ihrer Freizeit ein paar blaue Flecken holen. Ehrliche blaue Flecken sozusagen – das ist Krav Maga. Die meisten Menschen kennen die Selbstverteidigungsmethode noch nicht: „In Deutschland gibt es zur Zeit etwa 10000 Krav-Maga-Schüler, in Berlin wächst das Interesse. Vor einem Jahr hatte ich 40 Schüler, jetzt sind es 140, und fast täglich gehen Anfragen für ein Probetraining ein“, sagt Marcel Jardinier, der mehrmals pro Woche Trainingsstunden anbietet. Krav Maga ist ein hebräisches Wort und bedeutet „Kontaktkampf“; es ist das offizielle System für Selbstverteidigung und Nahkampf der israelischen Streitkräfte, der israelischen Elite-Terrorbekämpfungseinheiten und anderer Polizeieinheiten. Man darf also davon ausgehen, dass das Training effizient ist. Wobei man natürlich die Freizeit-Variante erlernt – wer zur Einstimmung Videos auf „YouTube“ anschaut, könnte möglicherweise abgeschreckt werden. Aber es geht ja nicht darum, ein hochgefährdetes Land zu verteidigen, sondern sich selbst im Ernstfall helfen zu können. Und fit wird und bleibt man nebenbei auch, denn zum Training gehört auch ein effizientes Aufwärmprogramm mit Zirkeltraining-Einheiten. Nach 90 Minuten Krav Maga, einer ausgeklügelten Kombination aus Schlag- und Tritt-Techniken (Unterarm-, Bein- und Zahnschutz ist angeraten), ist man auf frohe Weise durchgeschwitzt. Krav Maga ist laut Selbstverständnis keine Sportart, sondern eine reine Selbstverteidigungstechnik, es gibt also keine Wettkämpfe.

Krav Maga wurde in den 1930er-Jahren in der Slowakei „erfunden“, damals wurden Juden zunehmend von Mitbürgern grundlos auf der Straße angegriffen. Der in Bratislava (damals Preßburg) lebende Boxer und Ringer Imrich Lichtenfeld hatte von seinem Vater, einem Polizisten, Jiu-Jitsu-Techniken gelernt und entwickelte daraus die neue Kampfmethode. Die Idee war, etwas zu erfinden, das auch normal oder gar nicht trainierte Menschen in relativ kurzer Zeit erlernen können. Lichtenfeld emigrierte später nach Israel und wurde 1948 Nahkampfausbilder in der israelischen Armee. Die Grundidee bei Krav Maga ist: Angriff abwehren, entwaffnen, den Gegner zurückstoßen und schnell weglaufen. Vielleicht ist Krav Maga derzeit deshalb so erfolgreich, weil sich immer mehr Berliner unsicher in ihrer Stadt fühlen. In London schnellte die Zahl der Krav-Maga-Hobbysportler nach den Krawallen im August 2011 rapide in die Höhe. „Krav Maga ist prinzipiell für jeden geeignet“, sagt Marcel Jardinier, „unabhängig von Alter, Körpergröße und -bau und Geschlecht. Bei uns trainieren Frauen und Männer zwischen 16 und 60 Jahren, aber auch Kinder ab sechs.“

Silvia Meixner

www.krav-maga-berlin.de

54 - Frühjahr 2013
Sport