Feuer statt Farbe

Eine jahrhundertealte japanische Holzbearbeitungstechnik erfreut sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit: das Karbonisieren von Holz. Yakisugi heißt sie in der Landessprache. Sowohl als Holzschutz wie als Gestaltungsmittel erfreuen sich heute viele Architekten an diesem traditionellen Verfahren.

Holz als Baustoff liegt im Trend, gerade auch Holzfassaden sind beliebt. Viele Bauherren legen zudem auf den ökologischen Aspekt wert und lehnen chemische Holzschutzmittel ab. Einen ungewöhnlichen Weg gingen die Architekten Andreas Heim, Nataliya Sukhova und Viktor Hoffmann von Transstruktura Berlin. „Auf der Suche nach einer dauerhaften und natürlichen Oberflächenbehandlung der Holzfassaden für ein Einfamilienhaus in Schulzendorf stießen wir auf die alt traditionelle japanische Holzoberflächenbehandlung  namens Yakisugi. Bei diesem Verfahren wird die Oberfläche des Holzes carbonisiert mittels kontrollierter Beflammung“, sagt Andreas Heim von der Architektengruppe. Dahinter steht der in der japanischen Kultur tief verankerte Gedanke des Wabi Sabi: Schönheit im Unvollkommenen, die Akzeptanz des Kreislaufs von Werden und Vergehen. Man denke nur etwa an Raku-Keramik. Ähnlich wie bei dieser Technik wird auch beim Yakisugi traditionell im Freien ein Feuer entzündet. Nur hier eben, um hochkant aufgestellte Holzbretter zu beflammen.

Neben der Holzschutz-Funktion spielt natürlich auch die optische Qualität eine große Rolle. Das schwarz silbrig schimmernde Holz hat einen hohen ästhetischen Reiz. Die Außenhaut der Häuser wirkt beinahe vornehm im Vergleich zur unbehandelten Holzfassade. Struktur und Maserung des Holzes kommen eindrucksvoll zur Geltung. Interessante gestalterische Akzente lassen sich durch die klassische Kombination mit weißem Verputz, so auch im brandenburgischen Beispiel, oder kräftig bunten Farbtönen setzen. Eingesetzt sowohl im Innen- als auch im Außenbereich gelten diese Holzoberflächen als gleichzeitig stylish modern wie auch als zeitlos und nachhaltig. Gerade bei kubistischen Bauten unterstützt Yakisugi die Formensprache. Nach aufsehenerregenden Architekturen in Nord- und Süddeutschland hat jetzt auch Brandenburg sein erstes Yakisugi-Haus. Verbaut wurde hier karbonisiertes Fichtenholz von der Firma Mocopinus aus Ulm, Deutschlands größtem Anbieter. Die Arbeit erfolgt dort mit einer modernen Beflammungsanlage.

Die Technik nennt sich im Westen Japans auch Shou Sugi Ban, was so viel heißt wie „verbranntes Sicheltannenbrett“. Sicheltanne ist die Japanische Zeder. Weil sie bei uns nicht wächst, werden hierzulande Fichte, Kiefer oder Lärche verwendet, auch Eiche. Nach dem Abflammen kann das Holz wahlweise noch ein- oder zweimal gebürstet werden. Außerhalb von Japan wird ungebürstetes Yakisugi-Holz auch schon mal „Alligatorhaut“ oder „Seidenholz“ genannt. Wer es nicht so dunkel mag, der wird das Holz zweimal bürsten lassen. Dann ist es danach heller, und nur die Maserung hebt sich prägnant ab. Die kontrollierte Holzverkohlung der Außenhaut trägt dazu bei, dass das Holz 80 bis 100 Jahre nicht gepflegt werden muss, danach sollte es neu geölt werden. Im Innenbereich sollte jedoch grundsätzlich geölt oder lasiert werden, schon weil das verkohlte Holz sonst nicht abriebfest ist. Einige Hersteller von karbonisiertem Holz tragen zur Fixierung deshalb standardisiert eine Beschichtung auf. So wird auch die Montage erleichtert.

Ganz neu ist diese Technik der Holzveredelung nicht in Europa, auch nicht in Deutschland. Einen wesentlichen Anteil an der Renaissance dieser Technik hat der zeitgenössische japanische Architekt Fujimori Terunobu, der sein Land 2006 auf der Architekturbiennale in Venedig vertrat. Er zeigte, wie Yakisugi gerade auch im Zusammenhang mit moderner Architektur „funktioniert“. Das war der Startschuss für die wachsende Popularität des Yakisugi auch in der westlichen modernen Architektur. Eindrucksvolle architektonische Beispiele finden sich mittlerweile sowohl in Nordamerika als auch in Europa, darunter in Holland, Dänemark oder auch in Deutschland. Vorreiter war hierzulande das Müritzeum, ein regionales Erlebniszentrum in Waren an der Müritz. Der preisgekrönte Entwurf, der an ein gestrandetes Schiff erinnert, kam vom schwedischen Büro Wingårdh Arkitektkontor. Damals bedeutete die gezielte Holzverkohlung, die die Architekten für die Fassade vorgesehen hatten, noch handwerkliches Neuland in Deutschland und rief zahlreiche Zweifler auf den Plan. In Zusammenarbeit mit der FH Eberswalde wurde das Verfahren für die Holzbearbeitung erarbeitet und optimiert. 2007 stand das Müritzeum in schwarzer karbonisierter Schönheit da.

Karen Schröder

 

86 - Herbst 2021
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