Oberingenieur und Bremser Georg Knorr

Das Unternehmen, das Georg Knorr (1859–1911) einst begründete, hat Berlin neben technischen Innovationen eine denkmalgeschützte Industriearchitektur hinterlassen. In Friedrichshain, Lichtenberg und Marzahn werden die historischen Gebäude der Firma bis heute als Büros und Produktionsstätten genutzt.

Wer bremst, hat weniger Ruhm zu erwarten im Gegensatz zu Erfindern von Antrieben, etwa von Motoren. Aber alles, was fährt, muss auch wieder anhalten. Oberingenieur Georg Knorr war ein Tüftler im Dienst des Bremsens. 1903 entwickelte Knorr seine eigene Druckluftbremse. Bis heute bremst die Berliner S-Bahn mit einer Knorr-Bremse. Am Ostkreuz fährt die Bahn direkt am alten Verwaltungsgebäude der Firma vorbei. Auffallend sind die drei markanten Ecktürme. Heute hat die Deutsche Rentenversicherung dort ihren Sitz. Gebaut worden war das Ensemble von Alfred Grenander, dem Architekten vieler Berliner U-Bahnhöfe. Bei Knorr geht es eben immer um Bewegung.

Im Oktober 1859 wurde Georg Knorr in Westpreußen geboren. Ein Amerikaner, der Ingenieur Jesse Carpenter, brachte ihn nach dem Studium zur Bremse. 1884 fing Georg Knorr in Carpenters Büro in Berlin-Tiergarten an. Es waren die Gründerjahre. Neun Jahre später ist Knorr der Chef und sein erster Firmensitz ist in Britz.

Der Durchbruch gelang ihm mit der Knorr-Schnellbremse K1, die Anfang des 20. Jahrhunderts für Personenzüge zum Einsatz kam. Die neuen elektrischen Straßenbahnen boten einen zusätzlichen neuen Markt. Weitere Innovationen folgten. Gerade für schwer beladene Güterzüge, die mit knapp 100 Kilometern in der Stunde unterwegs waren, arbeitete Georg Knorr beharrlich an Verbesserungen. Die neue Bremse des Ingenieurs ermöglichte die schnelle Bremsung in mehreren Stufen ohne das übliche Ruckeln. Zuvor war die Vollbremsung die Regel.

Die Firma wollte expandieren und brauchte Geld. Der Börsengang 1911 war die logische Konsequenz. Georg Knorr selbst hielt noch einen beträchtlichen Teil der Aktien, aber längst nicht mehr die Mehrheit, so viel Kapital war jetzt in der Firma. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs stellten sich jedoch gesundheitliche Probleme ein. Der Firmengründer hatte mit Lungentuberkulose zu kämpfen und verstarb während eines Sanatoriumsaufenthalts in Davos. Beigesetzt wurde er auf dem Friedhof seines Wohnortes Karlshorst.

Sein Lebenswerk wurde von der Knorr Bremse AG weitergeführt. Ohne Knorr-Bremsen ging nichts mehr im Zugverkehr, und bald bremsten auch deutsche LKW mehrheitlich mit Fabrikaten der Knorr Bremse AG. Die Firma wuchs und wuchs, 1939 durch die Übernahme der Werkzeugmaschinenfabrik Hasse & Wrede GmbH. Eine Baugruppe, die direkt Albert Speer unterstellt war, errichtete in Marzahn von 1940 bis 1942 neue Fabrikgebäude. Während des Zweiten Weltkriegs waren in Marzahn auch tausende Zwangsarbeiter für das Unternehmen in der Rüstungsproduktion tätig.

Nach dem Krieg hat sich die Knorr Bremse AG in München einen neuen Stammsitz geschaffen, während der VEB Berliner Bremsenwerk und der VEB Werkzeugbau in den Ost-Berliner Gebäuden weiter produzierten.

Mittlerweile ist das Unternehmen in Berlin-Marzahn wieder mit drei Tochterunternehmen auf dem alten Firmengelände ansässig. Ein 40 Hektar großer Gewerbepark ist entstanden mit 70 weiteren ansässigen Firmen. Seit dem Jahr 2000 investierte die Knorr Bremse AG 50 Millionen Euro allein in den denkmalgeschützten Bereich.

 

83 - Sommer 2020
Stadt