„Vielerorts hat sich das Geschehen auf den Baustellen verlangsamt, oder es steht ganz still“

„Vielerorts hat sich das Geschehen auf den Baustellen verlangsamt, oder es steht ganz still.“  Susanne Wartzeck (Präsidentin des Bundes Deutscher Architekten) über die Situation in der Baubranche in der Krisenzeit.

Wie ergeht es den freien Architekten in der Krise?

Das Herunterfahren des öffentlichen Lebens trifft natürlich auch unsere Berufsgruppe, allerdings mit ein paar Besonderheiten. Um die Lage zu analysieren, haben wir noch im März eine großangelegte Mitgliederbefragung gestartet, die innerhalb von zwei Wochen eine enorm hohe Rücklaufquote hatte. Die Ergebnisse liegen jetzt vor.

Was kam dabei heraus?

Zunächst einmal haben wir nach Änderungen in der Arbeitsorganisation gefragt. Dies ergab ein differenziertes Bild: Während es eine Reihe von Büroeinheiten gibt, die nicht oder noch nicht umstrukturiert haben, sind andere ganz oder teilweise ins Home Office ausgewichen. Über die dabei auftretenden Schwierigkeiten ist in der Öffentlichkeit ja häufig berichtet worden. Das reicht von Problemen bei der Kinderbetreuung über langsames Internet bis zu fehlenden Softwarelizenzen.

Besonders schwerwiegend sind die Kommunikationsprobleme mit Bauherren und Behörden: Während manche Ämter sich zu behelfen wussten, sind andere schlicht nicht mehr erreichbar, weil es an den einfachsten kommunikationstechnischen Möglichkeiten fehlt.

Welche spezifischen Probleme des Berufsstands haben Sie identifizieren können?

Vielerorts hat sich das Geschehen auf den Baustellen verlangsamt, oder es steht ganz still. Gründe sind ausbleibende Materiallieferungen oder Personalmangel, weil Bauhandwerker aus dem osteuropäischen Ausland nicht einreisen können.

Das zweite Problem nenne ich den „Nachhalleffekt“, es begründet sich in der typischen Schere zwischen Leistungserbringung der planenden Berufe und deren Honorierung, die ja erst erfolgt, wenn das geschuldete Werk vollendet ist. Viele Büros haben derzeit noch gut zu tun, die wirtschaftlichen Effekte stellen sich dann erst mit einer Verzögerung von beispielsweise einem halben Jahr ein, wenn es anderen Berufsgruppen hoffentlich schon wieder besser geht.

Was kann der BDA tun, um diese Effekte abzumildern?

Eines ist uns klar: In der Krise hat jeder sein Päckchen zu tragen. Wir erwarten daher keine staatliche Kompletthaftung für unsere ökonomischen Risiken. Wir unterstützen aber die Architektenkammern und den Bundesverband der Freien Berufe bei ihren Gesprächen mit dem Bundeswirtschaftsministerium über angemessene Hilfen.

Von der Immobilienwirtschaft, vor allem aber vom öffentlichen Sektor erwarten wir ein geordnetes Weiterbetreiben des Vergabe- und Wettbewerbswesens und überhaupt eine Fortführung bestehender Bau- und Investitionsplanungen, statt auf die Bremse zu treten.

Ein positives Beispiel: In Hessen, wo ich mit unserem Büro ansässig bin, ist ein landesweites Förderprogramm für die Ertüchtigung des Bestands, das auch viele Schulsanierungen umfasst, zeitlich um ein Jahr verlängert worden, um den Druck darauf herauszunehmen.

Wenn darüber hinaus Konjunkturproramme aufgelegt werden, müssen diese in die Zukunft gerichtet sein und sich zum Beispiel an der Qualität der Architektur und Stadtplanung und den Anforderungen des klimagerechten Bauens messen lassen.

Und schließlich erwarten wir Lösungen, die es ausländischen Facharbeitern, auf die wir hierzulande nun einmal seit Jahren angewiesen sind, ermöglicht, einzureisen – ähnlich wie es für Erntehelfer in der Landwirtschaft beschlossen wurde.

Was können wir aus der Krise lernen?

Den Schub der Digitalisierung, den wir alle derzeit erleben, sollten wir mitnehmen und weiterentwickeln: Wir sehen Grenzen, aber auch Möglichkeiten. Lassen Sie uns aus den gemeinsamen Erfahrungen in der Kommunikation lernen für die Zukunft, in der wir vielleicht nicht mehr zu jeder Besprechung oder Konferenz physisch hinfahren müssen.

Auch für die Architektur und Stadtentwicklung stellen sich neue Fragen. So werden wir darüber diskutieren müssen, welchen Beitrag die Architektur zur Pandemievermeidung leisten kann und ob das Leitbild der urbanen Dichte in der bisherigen Form weiterverfolgt werden sollte.

Welche Botschaft haben Sie schließlich an den BDA, an die eigenen Mitglieder?

Architekten sind als Angehörige der Freien Berufe dem Gemeinwohl verpflichtet. Ich appelliere zum Zusammenhalt in der Krise. Sicherlich müssen Architekten als wirtschaftliche Subjekte handeln, aber sie tragen auch eine soziale Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die stets gegenüber ökonomischen Zwängen abgewogen werden muss. Geben Sie bewährte personelle Strukturen nicht leicht­fertig auf!

 

82 - Frühjahr 2020