35 Jahre BIG.B

Über das geglückte Zusammenwachsen zweier Bauunternehmer aus Ost und West.

Von der 15. Etage der Pyramide, einem imposanten Bürohochhaus an der Kreuzung Rhinstraße/Ecke Landsberger Allee, lässt sich ganz Berlin überblicken. Dr. Frank-Peter Muschiol und Jörg Hoppe, die Geschäftsführer der Firma BIG.B, können von ihren Bürofenstern aus etwa 100 Metern Höhe sehen, wo sie überall ihre Spuren in der Stadt hinterlassen haben.

Ob Mendelssohnstraße, Attilastraße, Bikini-Haus, Märkisches Viertel, Allee der Kosmonauten, die Schlange in der Rhinstraße, Helle Mitte oder Berliner Allee, alle sind es Bauprojekte, die die Handschrift ihres Unternehmens tragen: von 12-Quadratmeter-Badezimmerdecken bis zu Wohnkomplexen mit einem Auftragsvolumen von 30 Millionen Euro. Das Unternehmen ist breit aufgestellt: ob spezielle Fassadengestaltung, das Sanieren denkmalgeschützter Häuser oder die schlüsselfertigen Übergabe eines ganzen Wohnviertels. Dabei sind komplexe Projekte das Hauptgeschäft. Muschiol nennt es „Wohlfühlprogramm für Bauherrn und Architekten“, das heißt, es gibt einen Ansprechpartner für alle Gewerke. Das BIG.B-Prinzip.

In diesem Jahr wollte die Firma ihr 35-jähriges Jubiläum mit einem großen Fest feiern, doch Corona machte einen Strich durch die Rechnung. Dabei hätte es sich gerade in diesem Sommer gelohnt. Zum 30. Jubiläum gab es im Café Moskau ein großes Fest mit allen Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Die vergangenen fünf Jahre waren erfolgreich, bilanziert Muschiol, der 71-jährige Seniorpartner. Er ist Jurist, ausgebildeter Betriebsleiter für das Malerhandwerk und arbeitet in zweiter Generation im Baugewerbe. Nach der Wende hat er in die BIG.B investiert. Sein Unternehmenspartner Jörg Hoppe, 63, ist Diplom-Bauingenieur und schon im Betrieb, als er noch VEB Baureparaturen Hohenschönhausen hieß. Er ist der kreative und wagemutige Kopf, der das Tagesgeschäft von der Pyramide aus leitet.

Die Geschichte des Unternehmens ist die eines geglückten Zusammenwachsens und Miteinanders zwischen Ost und West. Die beiden Unternehmer sprechen noch heute voller Begeisterung über die Aufbaujahre, von Anfang an hatten sie einen guten Draht zueinander.

1986 war der Ost-Berliner Bezirk Hohenschönhausen noch im Entstehen, seit Beginn der 1980er-Jahre wurde ein riesiges Neubaugebiet in diesem Teil der Stadt errichtet. Der VEB Baureparaturen war mit dem Ausbau und der Instandhaltung der Plattenbauten beauftragt. Mit der Wende kam der Betrieb ins Portfolio der Treuhand: Aus VEB wurde eine GmbH. Den neuen Namen haben sich die Sekretärinnen ausgedacht: Bau-und Instandsetzung GmbH Berlin – kurz BIG.B. Der Betriebsrat der BIG.B hatte sich selbst mit um den Verkauf gekümmert. Und Hoppe, damals leitender Ingenieur, band sich seinerzeit eine Krawatte um: „Man musste ja etwas darstellen“, ist in den Westen gefahren und klingelte persönlich bei Baufirmen. Dabei habe er im Westen viel Solidarität erfahren, u.a. zinslose Kredite in Westmark, damit Baumaterial gekauft werden konnte. „Schließlich kam er zu mir in den Malereibetrieb“, erzählt Muschiol die Geschichte weiter. Wir saßen auf meiner alten Couch und ich dachte, dass wir ein gutes Team werden könnten.“ Beide betonen, dass von Anfang an das Gefühl von Loyalität, Ehrlichkeit und Vertrauen dagewesen sei. Die Ziele wurden klar definiert: den Betrieb mit seinem familiären Klima erhalten und bauen für und in Berlin.

Muschiol verschweigt dabei nicht, dass er damals als junger Bauunternehmer schlaflose Nächte vor dem Schritt der Übernahme der BIG.B hatte, sein Vater hatte für ihn gebürgt, denn für die berühmte 1 Mark war die Firma nicht zu haben. „Es war keine Goldgräberstimmung, im Gegenteil, die Zeiten waren ungewiss und man musste befürchten, vielleicht den Fehler seines Lebens gemacht zu haben“, beschreibt er seine damaligen Zweifel.

Aber das Team der BIG.B, zu dem 50 festangestellte Mitarbeiter gehören, hat sich schnell gefunden und auch in stürmischen Zeiten zusammengehalten. Nach der Phase, in der es hieß, nur die ganz Großen der Branche können bestehen, behaupteten sich nun doch die kleinen, spezialisierten Betriebe mit ihrer Flexibilität. Und die BIG.B gehörte zu den großen der kleinen. Das Prinzip: alles aus einer Hand bis zur schlüsselfertigen Übergabe hat sich bewährt. Denn die Zusammenarbeit mit Bauherren und Architekten möglichst direkt zu gestalten, vereinfacht die Abläufe auf dem Bau und führt schneller zum Ergebnis.

Mit Sorgenfalten auf der Stirn erinnern sich die beiden Bauunternehmer an die Herausforderungen, die die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte auf dem Bau bis Anfang der 2000er-Jahre mit sich brachte. Dumpinglöhne und Schwarzarbeit hielten Einzug. „Wir können und wollen da nicht mitmachen“.

Auf dem Bau ist ständig alles in Bewegung. „Bei den sich ständig ändernden Bedingungen muss man ein Team haben, das hinter einem steht. Das ist keine Arbeitgeberlyrik – dieser Zusammenhalt in der Firma wird gelebt“, erklärt Muschiol. Hoppe ergänzt: „Wir haben eine Fluktuation von unter einem Prozent und einen geringen Krankenstand, was für ein gutes Betriebsklima spricht.“

Die Firma verfügt über einen vielfältigen Erfahrungsschatz. Muschiol drückt es so aus: „Wir können überall unseren Senf dazugeben und wir haben für alle Probleme eine Lösung – wir denken in Lösungen. Das ist es, was die Firma ausmacht, ihr immenses Wissen und ihre Kreativität.“

Kreativ sind auch die Fassadengemälde. Das mit 22 000 Quadratmetern größte seiner Art in Europa in der Rhinstraße ist ein Projekt der BIG.B. Freilich hat Malermeister Muschiol einen besonderen Faible dafür. Kennengelernt hat er diese Fassadengestaltung, als er mit dem ehemaligen Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowky in Lyon, der Hauptstadt der Fassadenmalerei, war. Fassadenmalerei macht ein Wohngebiet unverwechselbar. Anmutungen eines italienischen Viertels in der Marzahner Platte, Blumen am Hochhaus in der Allee der Kosmonauten – das sind Hingucker. Die Künstler dafür werden aus Lyon eingeflogen.

Hoppe schaute sich für einen anderen Großauftrag London um. Als die Häuser im Märkischen Viertel Ende der 1990er-Jahre gedämmt wurden, hatte man die Vorstellung, die neue Fassade der ursprünglichen Kiesel-Waschbeton-Optik ähnlich zu gestalten. Die Engländer hatten dafür eine Methode. Hoppe schaute sie sich an und exportierte sie ins Märkischen Viertel. „Wir haben viel Freude an innovativen Ideen“, sagt Muschiol. Wenn man im Bikini-Haus am Bahnhof Zoo vorbeigeht und die Sonne scheint, dann glitzert die Fassade. Warum? Es wurden die alten Glasplatten zermahlen und in die Fassade eingearbeitet. Das gibt dann diesen Effekt. Auch die Gestaltung der Durchgänge und der Innenhof waren Gewerke der BIG.B.

Und von einem weiteren spektakulären Projekt ist die Rede. Der Russe lya Khrzhanovsky wollte 2018 für ein Kunstprojekt die Berliner Mauer wieder aufbauen. Politisch und künstlerisch höchst umstritten und letztlich verboten war es für eine Baufirma, „der nichts exotisch genug ist“ (Muschiol), eine tolle Aufgabe. Bauteile waren mit Lastschiffen zu transportieren, 26 Kräne waren geordert und 160 Leute hatten schon ihren speziellen Job. Jörg Hoppe war federführend. Dr. Frank-Peter Muschiol räumt ein, dass er zunächst den Warner gab, sich dann aber selbst überzeugte und Hoppe nicht bremste.

Zwischen experimentierfreudig und alltagstauglich zu pendeln und immer wieder etwas Neues zu wagen, gehört zur Firmenphilosophie. „Man muss sich mit Architekten zusammensetzten, schauen ob es industriell machbar ist und dann eine Lösung finden“, sagt Jörg Hoppe. Muschiol ergänzt: „Jeder erklärt, dass er für alles Neue offen und kreativ ist, aber wir sind es tatsächlich“.

Martina Krüger

 

86 - Herbst 2021