Kinder, Kinder ...

Fotoausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte anlässlich des Kulturland-Themenjahres „Spiel und Ernst – Ernst und Spiel. Kindheit in Brandenburg“

Eigentlich hätten es viel mehr sein können, und trotzdem sind es mehr als genug. Peter Walther vom Brandenburgischen Literaturbüro hat die Qual der Wahl, er sitzt vor 3 000 Kinder-Fotos und soll sich entscheiden. Ein Bruchteil von ihnen soll vergrößert in der Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu sehen sein. Dabei sind die Tausende Aufnahmen schon eine Vorauswahl, denn 250 Brandenburgerinnen und Brandenburger hatten sich auf seinen Aufruf hin gemeldet. Manche schickten einzelne Fotos, andere ganze Alben. Hinzu kamen noch Fotos, die Peter Walther in öffentlichen Sammlungen und Museen Brandenburgs ausfindig machte. Das älteste Foto stammt aus dem Jahr 1848 und zeigt eine Apothekerfamilie aus Prenzlau. Dabei handelt es sich um eine auf einer Silberplatte überlieferte Daguerrographie. Diapositive und Abzüge auf Papier kamen erst wesentlich später auf. „Alle Lebensbereiche, alle sozialen Schichten, alle Landstriche sollten vertreten sein, das war uns wichtig“, sagt der Initiator der Potsdamer Ausstellung. In einem ersten Schritt hat er versucht, Ordnung in das riesige Konvolut zu bekommen. „Es zeichneten sich verschiedenen Themengruppen ab: ‚Portraits‘, ‚Kinder und Tiere‘, ‚Kinder und Spielzeug‘, ‚Kinder und Wasser‘, ‚Kinder in Uniform‘ und ‚Kinder und Mobilität‘.“ Peter Walther ist fasziniert, so viele Geschichten, die sich um die Fotos ranken. Jeder Einsender sollte nach Möglichkeit etwas zum jeweiligen Foto dazuschreiben, und die meisten sind der Aufforderung nachgekommen. Da gibt es zum Beispiel das Foto aus dem Jahr 1915. Es zeigt acht kleine Jungs aus Potsdam-Babelsberg mit Militärmützen, aufgestellt in einer Reihe. In einer Art „Schuhparade“ präsentieren sie einem gleichaltrigen „Hauptmann“ ihre sauberen Schuhe. Das Private war schon damals politisch. Ein anderes Foto zeigt denselben Babelsberger Hof im Jahr 1939. Diesmal sind es Mädchen, die in der Tracht von Rot-Kreuz-Schwestern aufgereiht für die Kamera posieren. Wieder ist Krieg, und wieder hatten die Kinder ihre eigenen Spiele. Besonders anrührend ist ein Nachkriegsfoto aus Senftenberg, wenn man die Geschichte dahinter kennt. Das Bild portraitiert einen Großvater mit seinen vier Enkeln, nachdem die Mutter in ein sowjetisches Arbeitslager abtransportiert wurde.

Doch nicht immer ist so viel Ernst auf den Fotos. Natürlich gibt es auch ausgelassene kindliche Fröhlichkeit. Die drei planschenden Mädchen in der Zinkbadewanne stecken mit ihrem Lachen geradezu an. Auch dieses Foto wurde mitten im Krieg, im Sommer 1944, aufgenommen. Ein Glücksfall sind die Fotos, die Bernhard von Barsewisch aus Groß Pankow/Prignitz beisteuern konnte. Der Nachfahre derer zu Putlitz hatte ein besonderes Fotoalbum in seinem Besitz. Es stammte vom eins-tigen Hauslehrer seiner Vorfahren. „Dieser Lehrer August Sodemann hat das ganze Dorf durchfotografiert“, erzählt Peter Walther begeistert. Neben der Gutsbesitzerfamilie habe Sodemann auch ganz einfache Landarbeiterkinder abgelichtet. Entstanden seien damals wunderbare Milieustudien.

Ausdrucksstarke Fotos sind auch aus der DDR-Zeit in die Ausstellung eingegangen. Ein Farbfoto aus dem Jahr 1966 zeigt zwei Brüder aus Schwedt, einen mit einer großen Zuckertüte, einen mit einer kleinen. Wirklich freuen kann sich nur der mit der kleinen. Der Schulanfänger selbst scheint schon viel vom Ernst des Kommenden begriffen zu haben. Ein anderer Fotograf aus Wusterhausen beobachtet 1970 einen kleinen blonden Jungen in Lederhose, wie er vor einer Schaufensterscheibe steht, im Hintergrund wedelt ein fröhliches Mädchen mit dem Einkaufsnetz. Und da ist da noch das Portrait des frechen Jungen mit dem Cowboyhut: Ministerpräsident Matthias Platzeck im Vorschulalter. Damit ist die Ausstellung endgültig im Heute angekommen. Gegenwartsfotos runden das Stück Brandenburger Alltagsgeschichte ab. „Entstehen soll am Ende eine Art kollektives Familienalbum“, fasst Peter Walther das Projekt, das im Internet dokumentiert und weitergeführt werden soll, noch einmal zusammen.

Zur Ausstellung wird es einen Foto-Begleitband geben, in dem Autoren wie Antje Rávic Strubel, Martin Ahrends und Klaus Büstrin über ihre Kindheit in Brandenburg erzählen. Im Begleitprogramm gibt es Lesungen und Gesprächsrunden. U. a. werden vor einem Gespräch mit den Dokumentarfilmern Barbara und Winfried Junge die legendären Filme „Die Kinder von Golzow“ zu sehen sein.

Karen Schröder

Information
Vom 26.7.2013 bis 12.1.2014
Haus der Brandenburgisch-
Preußischen Geschichte
am Neuen Markt Potsdam

Öffnungszeiten
Dienstag bis Donnerstag 10–17 Uhr
Freitag bis Sonntag 10–18 Uhr
Montag geschlossen
An Feiertagen 10–18 Uhr
www.hbpg.de

 

55 - Sommer 2013