liegen & lesen

Vier Bücher, die den langen Winter verkürzen

Und nach dem Winterspaziergang? Tee kochen, ab aufs Sofa und lesen! Eine kleine Buchempfehlung für Wintertage und lange Abende mit dem Risiko, vor lauter Gemütlichkeit wie der Held im Bett liegen zu bleiben.

Es gibt ein Buch, das ich in jedem Winter lese. Es ist mir ans Herz gewachsen, und wenn es draußen so richtig kalt ist, ist es Trost und Verführung zugleich: Im Jahr 1859 erschien „Oblomow“ von Iwan Gontscharow (dtv, 680 Seiten, 13,90 Euro), er beschreibt darin das Leben von Ilja Iljitsch Oblomow, der als Gutsbesitzer ein sorgenfreies Leben führen kann. Doch die Sicherheit hat ihre Tücken; Oblomow verfällt mehr und mehr in Trägheit und Schläfrigkeit, erfindet Ausreden, warum er nicht aufstehen und mit seinen Freunden in die Natur fahren möchte. Er fürchtet die Verantwortung, die er dem Gut Oblomowka und den darauf lebenden und arbeitenden Menschen gegenüber hat und flüchtet sich in seine Parallelwelt, in der sich alles um den Mittagsschlaf rankt. Er verschiebt Wichtiges von einem Tag auf den nächsten, vertröstet Mitarbeiter, trifft keine Entscheidungen mehr, das Gut verfällt. Sogar die Liebe in Gestalt der jungen Olga vermag den Mann nicht aus seiner Lethargie zu reißen. Fazit: Sein Schicksal ist zu einem Klassiker der Weltliteratur geworden, aber Oblomow hat es mit dem Nichtstun und Faulenzen auf dem Sofa übertrieben. 

Die Angst, so enden zu können, ist ein guter Grund, dann doch aufzustehen. Und ein flottes Buch zu lesen. Rasant läuft die Berliner Autorin Sandra Garbers durch die Hauptstadt, aus ihrer Kolumne in der „Berliner Morgenpost“ wurde das amüsante Buch „Single in the City – Frl. Garbers rennt durch die Stadt“. Sie wohnt in Prenzlauer Berg und dort hält das Leben für Menschen vieles bereit: frisch gepressten Sanddornshake für den kleinen Aeneas und seine Schwester Iphigenie, die Säuglingszeichensprache, Baby-Yoga. Fast alles hier ist aus Bio: die Pflastersteine, der Apfelsaft, sogar der Himmel! Und als Sandra Garbers, früher erfolgreicher Single, heute erfolgreiche Mutter, noch auf der Suche nach ihrem Prinzen war, erheiterte sie Berliner Leser jeden Sonntag mit ihrer Kolumne, in der sie von den Freuden und Leiden der Alleinstehenden berichtete. Von Männern, die Fußball spielen, Männern, die ihre Schnürstiefel lecken wollten, die mal Fahrrad, mal Porsche fuhren. Die schicken Schnürstiefel haben Laufpause, Sandra Garbers ist jetzt Prenzlberg-Mutter, aber ganz entspannt (Verlag Quadriga, 158 Seiten, 14,99 Euro). Das ideale Buch gegen den Winterblues, man muss aufpassen, dass man vor Lachen nicht vom Sofa fällt.  

Szenenwechsel. Vom Berlin des 21. Jahrhunderts ins Dresden der Goldenen Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Madame Jakublonski bittet in ihr Monstrositäten-Cabinet. Der Berliner Autor Michael Braun entführt den Leser in eine faszinierende Welt, die es in dieser Form nicht mehr gibt, denn Monstrositäten-Cabinets sind leider aus der Mode geraten. Die Geschichte beginnt am 1. Januar 1923, Madame Jakublonski zieht in einer Pension in Dresden Bilanz. Der Laden steht kurz vor der Pleite, die Inflation hat die Finanzen des Unternehmens arg in Mitleidenschaft gezogen, das Reisen, das Essen für die Künstler, die Pensionen, das alles kostet immer mehr. In einem guten Buch geschieht jetzt ein Wunder: Schon wenige Tage später ist alles Klagen vergessen, die Künstler logieren gut gelaunt in einem Grandhotel in den Alpen, müssen aber überstürzt an den Golf von Neapel aufbrechen. Madame Jakublonski hat nämlich eine Einnahmequelle entdeckt, die bedeutend besser floriert als Elefantenfüße, Auftritte von Kleinwüchsigen, siamesischen Zwillingen und Würgeschlangen. Ihr Leichenhandel läuft prima, Joseph Anton Kartiganus, der Leiter der anatomischen Fakultät der Universität Jena, sucht immer nach leblosem Material für seine Forschungszwecke, je ausgefallener desto besser. Und so bilden Madame und er ein eingespieltes Team – bis ein Mord passiert (Dresdner Buchverlag, 256 Seiten, 19,90 Euro).

Die Bibel all jener, die gerne auf dem Sofa liegen und sich kein schlechtes Gewissen lassen machen möchten, hat Bernd Brunner geschrieben: „Die Kunst des Liegens – Handbuch der horizontalen Lebensform“ (Verlag Galiani Berlin, 160 Seiten, 16,99 Euro) ist ein Plädoyer für alle, die wissen, dass das ständige Herumstehen und -sitzen nur bedingt Lebensfreude in sich birgt. Denn immerhin gut ein Drittel seiner Lebenszeit verbringt der Mensch liegend und auch für die Zeit danach geht es für die meisten von uns so weiter. Der Autor geht der Frage nach, warum das Liegen im Allgemeinen keinen besonders guten Ruf hat. Es wird gern mit Faulheit gleichgesetzt, was natürlich Unsinn ist, wie jeder Sofaliebhaber bestätigen wird. Schon der Steinzeitmensch legte sich gerne zur Erholung hin, irgend jemand erfand dann die Matratze und das Sofa, die die Angelegenheit gemütlicher machten. Sein Fazit: Die Kunst des Liegens ist völlig unterschätzt.

Silvia Meixner

 

    Oblomow
    von Iwan Gontscharow, 
    dtv, 680 Seiten, 
    13,90 Euro
 

 

 

 

 

    Single in the City
    Frl. Garbers rennt durch die Stadt 
    von Sandra Garbers, Quadriga, 
    158 Seiten, 14,99 Euro
 

 

 

 

 

    Madame Jakublonski 
    von Michael Braun, 
    Dresdner Buchverlag, 
    256 Seiten, 19,90 Euro
 

 

 

 

 

    Die Kunst des Liegens 
    Handbuch der horizontalen Lebensform
    von Bernd Brunner, Verlag Galiani Berlin, 
    160 Seiten, 16,99 Euro
 

 

 

 

 

 

57 - Winter 2013/14