Ohne Moos nix los

Jörg Isermeyer heißt der Gewinner des Berliner Kindertheaterpreises 2009. Er ist 40 Jahre alt, Schauspieler, Musiker und nun auch preisgekrönter Autor. Und es kommt noch ein weiteres Glück dazu: Sein Stück „Ohne Moos nix los“ wird im September 2009 im Berliner Grips Theater uraufgeführt. Keine alltägliche Sache. Normalerweise schreibt ein Autor ein Stück, bietet es einem Verlag oder einem Theater an – und dann wartet er und wartet, und meist passiert nix. So erging es auch Jörg Isermeyer mit seinen beiden ersten Stücken. Doch der Berliner Kindertheaterpreis, der nach 2006 zum zweiten Mal vergeben wird, ist tatsächlich ein besonderer Preis mit einer ebenso besonderen Geschichte, die auch nicht im Theater, sondern beim Berliner Energiedienstleister Gasag beginnt. Das 160-jährige Unternehmen, das die Stadt u.a. mit Erdgas versorgt, engagiert sich insbesondere seit 1997 im Bereich Kultur, fördert junge Maler, Bildhauer, Installationskünstler. Vor vier Jahren erweiterte das Unternehmen sein Kultursponsoring, und die zu fördernde Zielgruppe wurde erst einmal verjüngt und gleichzeitig verbreitert. Anja Kraus vom Grips Theater erzählt von den Recherchen der Kultursponsoring-Scouts, die zunächst den potentiellen Förderer etwas im Dunkeln ließen. Obwohl natürlich Unterstützung für Theater immer willkommen ist, war man anfangs skeptisch, welche Gegenleistungen erwartet werden bzw. inwieweit der Mäzen sich einmischen würde. Aber dem Sponsor war nicht an kurzfristigen medienwirksamen Ereignissen gelegen. Langfristige und nachhaltige Projekte im Nachwuchsbereich sollten auf den Weg gebracht werden.

Unter Federführung des Theaters entwickelten sie gemeinsam die Idee des Kindertheaterpreises, der ganz auf dieses in Deutschland einmalige Kinder- und Jugendtheater zugeschnitten ist. Dabei geht es um realistische Themen, die sich mit der Gegenwart der jungen Zuschauer beschäftigen, wie Fremdheit, Anderssein, Freundschaft, die Suche nach dem Platz im Leben, gesellschaftliche Unterschiede. In den Kinderbuchverlagen herrscht eine kaum überschaubare Fülle an Märchenadaptionen und Phantasiegeschichten, ebenso auf den Spielplänen aller Theater, die auch Kinder zu ihrem Publikum zählen. Nur eben die realistischen Themen für Kinder bis zwölf Jahre sind rar. Und so wurde 2006 zum ersten Mal ein Preis dafür ausgelobt. Eine Jury entschied seinerzeit, dass es zwei Sieger gab: „schwarzweißLila“ von Volker Schmidt und „Ola meine Schwester“ von Magdalena Grazewicz. Beide Stücke stehen noch auf dem Spielplan. Für den aktuellen Preis bewarben sich etwa 60 Autoren, sechs wurden für einen Workshop ausgewählt. Dabei wurde das Thema des Stücks festgelegt: „Wer kann sich das leisten?“ – Es soll die Kluft zwischen armen und reichen Kindern in Deutschland beschreiben. Eine fünfköpfige Fachjury, zu der unter anderem der Schauspieler Axel Prahl gehörte, entschied, dass „Ohne Moos nix los“ von Jörg Isermeyer nun auch tatsächlich auf die Bühne kommt. Und er erhält obendrein noch ein Preisgeld von 5.000 Euro. Der Inhalt: Jule kommt aus nicht so begüterten Verhältnissen, hat aber dafür viel Phantasie. Ihr Lieblingsspiel ist das Verfolgen von Passanten – wo gehen die Leute hin, was tun sie? Bei ihrem fiktiven Detektivspiel lernt sie Lukas kennen, und zwischen beiden entwickelt sich eine Hassliebe. Doch irgendwann findet auch Lukas Gefallen an den Verfolgungsjagden, und so gehen sie gemeinsam auf Streife und kommen dabei sogar einer Bande von Fahrraddieben auf die Spur. In Gedanken verjubeln sie schon die Belohnung, sehen ihre Fotos in den Zeitungen. Doch Jules Bruder scheint zu den Fahrraddieben zu gehören. Eingebettet in eine spannende Geschichte will der Autor erzählen, warum sich Jule auf der Straße herumtreibt, zu einer Zeit, zu der sie eigentlich in der Schule sein müsste, und warum Jules Bruder zum Fahrraddieb wurde? Der zweite Preis ging an Lisa Sommerfeldt für „Flaschengeld“. Obwohl die Stücke für und mit dem Grips Theater entwickelt wurden, sind sie doch jederzeit für andere Bühnen nachnutzbar – ein Preis also, der seine Wirkung durchaus potenzieren kann.

Längst hat das Theater jegliche Berührungsängste zum Kultursponsoring verloren. So gibt es neben dem Kindertheaterpreis auch Unterstützung für andere Stücke des Hauses, wie beispielsweise „Rosa“, bei dem es um das Leben von Rosa Luxemburg geht. Für Gasag-Vorstand Andreas Prohl war es wichtig, „dass wir dazu beitragen konnten, einen historischen Berliner Stoff von zeitübergreifender Aktualität auf die Bühne zu bringen“. Auch die Grips-Klassiker „Max und Milli“ und „Prima Klima“ werden unterstützt. Und kürzlich haben die Gasag und das Grips Theater ihre Kultursponsoring-Partnerschaft bis ins Jahr 2013 verlängert. Das sieht schon nach echter Freundschaft aus.

Martina Krüger

38 - Frühjahr 2009
Kultur