Modefotograf und Fotorevolutionär

Der Martin-Gropius-Bau zeigt die erste Retrospektive des amerikanischen Starfotografen Richard Avedon.

Sein Name ist weniger bekannt als seine legendären Porträts berühmter Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts. Als sich Charles Chaplin in der Mc­Carthy-Ära aus den USA verabschiedete, war es Richard Avedon, der die spektakuläre Abschiedsgeste im Bild festhielt. Auch seine Porträtfoto­gra­fien von Marilyn Monroe, Louis Arm­strong, Anna Magniani oder Dorothy Parker, Katharine Hepburn, Humph­rey Bogart, Truman Capote, Samuel Beckett, Brigitte Bardot, Bob Dylan, den Beatles, Janis Joplin oder auch Dwight D. Eisenhower und Henry Kissinger haben längst ihren Platz im kollektiven Bewusstsein.

Mit diesen meist emotional aufgeladenen Porträts von Künstlern und Politikern hat Richard Avedon wesentlich mit dazu beigetragen, die Porträtfotografie im vergangenen Jahrhundert zu revolutionieren. Sehr früh entwickelte er seine Methode, grundsätzlich mit weißem bzw. neutralem Hintergrund zu arbeiten und dem Foto einen schwarzen Rahmen zu geben. Auf diese Weise tritt die Physiognomie in den Vordergrund, und das Porträt bekommt mehr Eindringlichkeit und Authentizität. Ein wenig von dem zu zeigen, was hinter der Oberfläche nicht nur von Berühmtheiten verborgen ist, hat Richard Avedon schließlich erfolgreich und berühmt gemacht.

Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau zeigt 250 Fotografien, die das außergewöhnliche Lebenswerk dieses Ausnahmefotografen über dreißig Jahre hinweg dokumentieren. Außerdem sind zwei Dokumentarfilme zu sehen Seine Karriere begann Richard Avedon 1945 bei der New Yorker Modezeitschrift „Harper‘s Bazaar“, für die er zwei Jahrzehnte lang Models für die Titelseite ablichtete. Dass die Fotos nicht nur die damalige Modewelt beeindruckten, lag an seiner neuen Aufnahmepraxis: Avedon inszenierte die Fotos wie ein Regisseur und machte die Models gewissermaßen zu Schauspielerinnen. So entstanden legendär gewordene Aufnahmen wie das Bild des berühmten Models Dovima, zwischen Elefanten aufgenommen. Neben den Modefotografien entstanden die ersten Porträts berühmter Zeitgenossen. Aber bereits in dieser Zeit bewies er mit Bildreportagen über das New Yorker Alltagsleben oder Rassendiskriminierung in den Südstaaten, dass er sich nicht ausschließlich als reiner Mode- bzw. Prominenten­foto­graf empfand. Die Serie „In the American West“ mit psychologisch ein­dring­lichen Porträts von Berg­leuten, Landarbeitern, Migranten und Arbeits­losen zeigt die andere Seite in Avedons Schaffen und adelt ihn schließ­lich zum Kunstfotografen. Dennoch blieb er zuallererst Zeitschriften­foto­graf, wechselte 1966 zur „Vogue“ und 1992 zum Magazin „The New Yorker“, das allein dreihundert seiner Aufnahmen veröffentlichte.

Ein Highlight der Ausstellung ist sicherlich das großformatige Gruppenporträt „Andy Warhol and the Factory“, eine der zahlreichen inzwischen zu Ikonen avancierten Fotografien. Daran ist sowohl die großartige In­szenierungskunst des 2004 im Alter von 81 Jah­ren verstorbenen Starfotografen als auch die individuelle Prägung jeder einzelnen Figur sichtbar.
Am Ende der erstmals in Deutschland gezeigten großen Retrospektive stehen Bilder vom Mauerfall und der ersten Neujahrsparty danach. Mit Aufnahmen von emotionaler Kraft und atmosphärischer Spannung erweist sich Richard Avedon im fortgeschrittenen Alter auch hier in Deutschland noch einmal als Meister der Bildreportage. 
 

Reinhard Wahren

 


Ausstellung

Richard Avedon – Fotografien 1946-2004

Noch bis 19. Januar 2009

Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin

Geöffnet mittwochs bis montags 10-20 Uhr,
dienstags geschlossen

37 - Winter 2008