Brücke mit Risiko

Am 3. September wurde von Deutschland und Dänemark der Staatsvertrag für eine Brückenbebauung der Meerenge zwischen den Inseln Fehmarn und Lolland (Dänemark) unterzeichnet. Für die sich über 19 Kilometer erstreckende feste Fehmarnbeltquerung sind 5,6 Milliarden Euro veranschlagt, die zum größten Teil von Dänemark getragen werden. Das Vorhaben, vergleichbar mit europäischen Verkehrswegen wie Ärmelkanaltunnel und Öresundverbindung, ist umstritten. Vor allem Umweltorganisationen haben sich gegen eine Brücke ausgesprochen. Nach Ansicht des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) wären etwa 100 Millionen Zugvögel pro Jahr gefährdet. Berlin vis-à-vis sprach mit Malte Siegert vom NABU-Wasservogelreservat Wallnau auf Fehmarn.

Dänemark und Südschweden drängen seit langem auf eine feste Verbindung, die die Entfernung zu den wichtigen Märkten in Westeuropa verkürzen würde. Offenbar ist aber eine ökologische Verträglichkeit nicht gewährleistet. Worin bestehen die größten Gefahren?
Es gibt zahlreiche ernste ökologische Risiken. Die Gefahr von Schiffskollisionen in einer mit rund 66 000 Schiffen jährlich am stärksten befahrenen Wasserstraßen der Welt ist auch ohne eine Brücke bereits enorm. Ein Tankerunglück wäre nur eine Frage der Zeit. Zudem behindern die bis zu 70 Brückenpfeiler den wichtigen Zufluss von sauerstoffhaltigem Nordseewasser. Schon heute gibt es durch Storebelt- und Öresundbrücke keinen ungehinderten Zufluss. Eine weitere Barriere führt nach Einschätzung des Leibniz-Institutes für Ostseeforschung in Warnemünde wahrscheinlich zum Absterben dieses international geschützten, sensiblen Meeresgebietes.

Sie prophezeien katastrophale Auswirkungen auf den Vogelzug durch eine Schrägkabelbrücke.
Für die von Ost nach West ziehenden rund 20 Millionen Wasservögel stünde das Bauwerk wie ein Kescher zur Zugrichtung. Dabei fliegen Wasservögel bevorzugt nachts, auch bei schlechter Sicht und genau in Höhe der Brücke. Genetisch gepolt nutzen sie ja gerade deswegen den Belt, weil sie dort kein Hindernis erwarten. Es werden auch viele der 80 Millionen Landvögel, d.h. Greif- und Singvögel sowie Gänse und Schwäne, gegen eine bis zu 300 Meter hohe Brücke fliegen. Der von der Politik mittlerweile so sehr proklamierte Artenschutz sollte nicht nur im Regenwald, sondern ebenfalls hier vor unserer Haustür stattfinden.

Die Meeresflora- und fauna der Ostsee wäre ebenso in Mitleidenschaft gezogen.
Wenn Brückenfundamente in der Größe halber Fußballfelder gegründet werden müssen, ist es einleuchtend, dass das erhebliche Schäden im Meeresboden hinterlassen wird. Aufgewirbelte Sedimente belasten Pflanzen und Tiere, insbesondere Meeressäuger, und eine auf Jahre braune Ostsee ist kein Aushängeschild für Fehmarn.

Wie schätzen Sie die Folgen für den Tourismusstandort ein?
Zu der abnehmenden Badequalität kommt jahrelanger Baulärm und eine Belastung allein durch tausende Beton-Lkws. Viele Camper und Stammgäste sagen schon heute, dass sie mit dem ersten Spatenstich die Insel verlassen werden. Für immer. Neben der Reederei Scandlines als größtem Arbeitgeber leben auf Fehmarn viele Menschen direkt oder indirekt vom Tourismus. Für sie wäre das Projekt eine echte Tragödie.

Befürworter der Brücke versprechen sich mehr Investitionen in der Region und Arbeitsplätze.
Angeblich entwickeln sich entlang großer Verkehrsachsen immer neue Gewerbe. Zwischen Lübeck und Puttgarden hat sich der Verkehr in den letzten zehn Jahren zwar verdoppelt, es sind aber so gut wie keine Arbeitsplätze entstanden. Hier will man jetzt zwei Rapsfelder miteinander verbinden und nimmt den Verlust von rund 2000 Arbeitsplätzen auf der Insel billigend in Kauf. Die Brückenarbeiter kommen vor allem aus Osteuropa, wohnen in Containerdörfern und sind wie ein Termitenhaufen ganz schnell verschwunden. Auf welch ökonomisch tönernen Füßen die ganze Planung steht, sieht man doch an der mangelnden Risikobereitschaft der Wirtschaft. Ursprünglich wollten sich Staat und Wirtschaft die Kosten in einem PPP-Projekt teilen. Jetzt bürgt der dänische Staat, die Baufirmen lächeln, reiben sich die Hände und werden so oder so absahnen. Rechnen tut sich eine nutzerfinanzierte Brücke nicht. Erst recht nicht, wenn die Reederei Scandlines, wie angekündigt, zu günstigeren Tarifen weiter fahren wird. Kürzlich nannte Bundesumweltminister Gabriel die Fehmarnbeltquerung „eine bekloppte Idee“.

Deutschland und Dänemark haben am 3. September den Staatsvertrag für den Bau der Brücke unterzeichnet. Wie kann sie jetzt verhindert werden?
Erst stimmen im nächsten Jahr Bundestag, Bundesrat und dänisches Folketing ab, nachdem die beteiligten Ausschüsse eingehend geprüft haben werden. Wer jetzt schon behauptet, die Brücke würde gebaut, verhöhnt unsere unabhängigen Volksvertreter. Sollte der Plan das Parlament passieren, haben Naturschutzverbände im sich anschließenden Planfeststellungsverfahren Gelegenheit zu klagen. Wir sind gut gerüstet und sehen einem Verfahren, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof, mit ausgezeichneten Chancen entgegen.

Herr Siegert, danke für das Gespräch.
Ina Hegenberger

 

36 - Herbst 2008