Rauchzeichen aus der Verbannung

Die 90er Jahre gehörten der Zigarre. Das neue Jahrtausend gehört den Nichtrauchern – das glauben zumindest jene, die nicht rauchen. Die Liebe der Menschen zur Zigarre setzt sich allerdings immer wieder durch. Rauch ist eben stärker als ein EU-Gesetz!

Es ist ungemütlich geworden für Raucher. Galt das Rauchen einer Zigarre in den Zeiten ihrer 90er-Jahre-Renaissance als Zeichen des guten Genusses, wird man neuerdings scheel angeschaut. Fragen liegen in den Blicken des Gegenübers: Wissen Sie immer noch nicht, wie ungesund Rauchen ist? Sie wollen diese Zigarre doch nicht wirklich gleich hier rauchen?!

Wer liebt, tut trotzdem Dinge, die nicht erlaubt sind und die andere, selbstredend langweilige Menschen, zum Kopfschütteln bringt. Wer liebt, lässt sich und das Objekt seines Verlangens auch nicht verbannen. Basta. Wer liebt, der kämpft. Nachzulesen beinahe überall in den Archiven der Weltliteratur, in Berlin nachzuleben in vielen Restaurants, Cafés und Hotellobbys.

Was macht den Zauber der Zigarre aus? Es ist das Innehalten, das Festhalten, die Gewissheit, dass eine halbe Stunde lang die Gedanken ungestraft Karussell fahren dürfen. Oder einfach vor sich hindämmern. Oder beides, im Wechselklang. „Der Genuss einer guten Zigarre lässt uns an Zeiten zurückerinnern, die es gar nicht gegeben hat“, sagte Oscar Wilde. Der Mensch darf, muss träumen, damit er sich wieder dem oftmals niederschmetternden Alltag hingeben kann. Damit er Ärger, Geld- und Liebesnot, laute Nachbarn und andere Widrigkeiten wieder ertragen kann. Eine gute Zigarre füllt das Energiereservoir des Menschen mit sanftem Duft und weichem Rauch auf.

Deutschland ist ein Zigarrenland, der Connaisseur hat die Wahl zwischen 1200 Marken, hier wird geraucht, aber auch produziert. Kleine und mittelständische Betriebe befinden sich fast alle in Familieneigentum, sind größtenteils eigentümergeführt. Die weltweit größte Fachmesse für Tabakwaren und Rauchbedarf findet einmal jährlich in Dortmund statt, zur letzten „Intertabac“ im September kamen 290 Aussteller und über 7000 Fachbesucher aus aller Welt, die Besucherzahlen sind in den vergangenen Jahren stetig angestiegen, neuerdings kommen auch Experten aus Ägypten, Taiwan, Indonesien und dem Ural. Es ist ein Branchentreffen, bei dem es natürlich nicht nur um Zigarren, sondern auch um deren kleine, erfolgreiche Schwester, die Zigarette, geht. Und wer noch Zweifel hegt, ob die Wirtschaftskrise mittlerweile beendet ist oder noch andauert, wird sich über diese Zahl freuen: Auf der Intertabac wurden laut Messeveranstalter über 63 Millionen Euro umgesetzt. Eine weitere Neuigkeit aus der Branche: Die „El Mito de la Palma“, eine Puro von den Kanaren. Antonio Gonzáles, der letzte Tabakanbauer der kanarischen Inseln, kam zur Präsentation nach Dortmund.

Zu den ältesten Zigarrenunternehmen Deutschlands gehört Arnold André in Bünde, die Wurzeln der Tabakfabrik gehen zurück bis ins Jahr 1817. In den 1950er und 1960er Jahren erlebte das Unternehmen eine Blütezeit, die berühmte Marke „Handelsgold“ eroberte den deutschen Markt und wurde zu einer Ikone der Wirtschaftswunder-Jahre. In den 70er Jahren kam dann die Zigarilloserie „Clubmaster“ zum Sortiment, sie ist bis heute eine der beliebtesten Cigarillos des Landes. Arnold André gehört zu den Marktführern Deutschlands, ist heute Deutschlands größter Zigarren- und zweitgrößter Zigarillo-Hersteller. Gehandelt wird mit Ware, deren Name Genießer lächeln lässt, „Tropenschatz“ und „Vasco da Gama“ gehören dazu. Und weil Zigarrengenießer meist auch anspruchsvolle Menschen sind, hat man sich im Hause Arnold André etwas Besonderes für seine Kunden ausgedacht: Viermal im Jahr erscheint das kleine, feine Magazin „Alles André“, im aktuellen Heft geht es um Krimis (zu bestellen über www.arnold-andre.de). Denn ob romantische Stunden oder spannende Lektüre eines schrecklichen Falles: Wir nehmen es wie der berühmte Pianist Artur Rubinstein, der einmal über die Zigarre sagte: „Zigarren sind so köstlich wie das Leben. Das Leben bewahrt man sich nicht auf. Man genießt es in vollen Zügen.“ Womit wir wieder am Anfang der Geschichte wären. Nörgler, die Genießern im Weg stehen, sollten einfach mehr Zigarren-Zitate lesen. Das dient der guten Laune!

Silvia Meixner

45 - Winter 2010/11