Tofumaster at work

Attila Hildmanns fröhliche Sojaküche auf Siegeszug

Die Finger zwischen Ring- und Mittelfinger gespreizt. Das ist der Gruß der Vulkanier auf dem Raumschiff Enterprise, und die hatten in vielen Dingen die Nase unterhaltsam vorn. „Lebe lang und in Frieden.“ Attila Hildmann, Jahrgang 1981, spreizt ebenso seine Finger zum Veganergruß und ist auch so eine Art Außerirdischer für manche, isst kein Fleisch und auch keine Eier, keine Milchprodukte und hat einige Seiten in „Fit for fun“. Die Unterhose, in der er seinen wohlgeformten Körper präsentiert, trägt den Namen eines bekannten Labels. Augenscheinlich geht es ihm gut, und er sagt den Klischees vom mickrigen Körnerfresser ade. Als Kochpapst der Veganer und der neue Jamie Oliver der fleischlosen Küche wird Attila Hildmann als der Mann, der immer lächelt, gehandelt. Der Terminkalender ist voll: Veggie-Street-Day in Dortmund, Auftritt beim Pfadfinderbundeslager, Klimawoche an der Uni Dresden, und Attila kocht für 1 200 Studenten, gibt im Internet und in Berlin Kochkurse und schreibt Kochbücher. Die Botschaft: Hafersahne und Sojamilchkaffee können durchaus sexy sein und tun unserem Planeten gut. Sehr jung, sehr hip, sehr schön. Günstig, köstlich, es war nie einfacher, sich so gesund und vielfältig zu ernähren. Mit seiner fröhlichen Omnipräsenz von Fitness, Shows, Büchern und Projekten nimmt Physikstudent Hildmann dem Fleischlosen die Schwere des Verzichts auf Tierliches sowieso – aber dann kommen eben auch noch Käse, Sahne, Ei dazu – und begegnet dem vermeintlichen Einerlei der Zutaten mit schneller, günstiger, alltagstauglicher Raffinesse. Hochgelobt nicht nur in „Kochen ohne Knochen“, einem Magazin für Menschen, die kein Fleisch essen. Und Hildmann unterstreicht den richtigen Weg mit einem kämpferischen Schneebesen in der Faust und sagt lächelnd: „Umdenken, liebe Leute!“
Der junge Mann mit Migrationshintergrund streut seine Botschaft medienwirksam über zwei Kochkanäle im Internet. Seine Kochbücher erscheinen im Halbjahresrhythmus. Es gibt Apfel-Curry-Kürbissuppe, Linsensalat mit Kardamom-Zimt-Petersilienpesto oder Sojaschnitzel mit Spinat-Semmelknödel. Cholesterinbewusst, laktosefrei und klimafreundlich. Denn für ein Kilo Fleisch werden 15 000 Liter Wasser benötigt (nur 155 Liter davon als Trinkwasser und für die Haltung des Tieres) und zwölf Kilo Futterweizen. Für die Herstellung von einem Kilo Tofu werden 1 800 Liter Wasser verbraucht und natürlich kein Futter. Außerdem setzt eine Kuh täglich etwa 230 Liter des Klimakillers Methan frei. „Die Veganisierung ist die entscheidende Antwort auf die umweltpolitischen Herausforderungen“, so Christian Vagedes, Vorsitzender der jüngst gegründeten Veganen Gesellschaft Deutschland.
Nie wurde Ernährung an so breiter Front so kontrovers diskutiert: Die Bestimmung des Schweins ist das Kotelett. Das Kotelett ist eine Leichenscheibe. Ein Huhn sollte mehr kosten als eine Stunde Parkhaus. Jeder dritte Deutsche möchte nie mit einem Vegetarier zusammenleben. Die Biohändler meinen: Rinderwahn, Gammelfleisch und auch Dioxin, das ist alles schnell wieder vergessen. Dem verstärkten Griff in ihre Regale kann auch rasch das allgemeine Verdrängen folgen. Reagieren werden die Anbieter auf diese Nachfrage in Deutschland wohl vorerst nicht. Vorsicht sei geboten. Seit Jonathan Safran Foer mit unglaublicher Popularität seines Bestsellers „Tiere essen“ unser Essverhalten hinterfragte und die meisten Leser dabei ertappte, vor den Konsequenzen der Massentierhaltung die Augen zu verschließen, besteht wohl doch etwas mehr Hoffnung auf Nachhaltigkeit.

Brit Hartmann


Informationen

Literatur zum Thema:


Jonathan Safran Foer, Tiere essen.  
Karen Duve, Anständig essen - Ein Selbstversuch
Kiepenheuer & Witsch, 399 Seiten Galiani Verlag, 335 Seiten
19,95 Euro
19,95 Euo

 

 

46 - Frühjahr 2011