Zukunft serienmäßig

Wie immer sorgen auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt, die in diesem Jahr unter dem verheißungsvollen Messe-Motto „Zukunft serienmäßig“ steht, zahlreiche Premieren für Aufsehen. Einige neue Modelle erwartet die Automobilgemeinde mit besonderer Spannung, denn sie verkörpern sowohl automobile Zukunft als auch Generationswechsel. So präsentieren vor allem die deutschen Automarken endlich alltagsfähige vollelektrische Zukunftsautos wie den BMW i3 und den VW Up, zeigen sich Autolegenden wie der Porsche 911 und der Mercedes SLS mit ganz neuem Auftritt und faszinieren Supersportwagen wie der Ferrari 458 Italia mit betörendem Design.

Mercedes SLS Roadster [Foto: Daimler AG]

Ganz schnell geht es freilich noch nicht bei BMW mit dem Verkauf des ersten, rein elektrisch angetriebenen Stadtautos, denn es kommt erst 2013 in den Handel. Doch steht der i3 zweifellos für die neue alltagstaugliche Elektromobilität der Bayern. Mit einer Reichweite von 160 Kilometern ist der i3 prädestiniert für die Stadt und deren nahe Umgebung. Dank kohlefaserverstärkter Karosserie ist sein Gewicht so gering, dass eine gute Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeiten um 150 Kilometer pro Stunde möglich sind. Neben dem i3 stellt BMW noch ein weiteres Projekt-i-Modell in Aussicht, den Sportwagen i8. Beiden liegt eine neuartige Bauweise zugrunde, die vor allem durch den Einsatz von Karbon und Aluminium geprägt ist. Dadurch kann das durch den Elektroantrieb bedingte Mehrgewicht kompensiert werden.
Auch VW trumpft in Frankfurt mit einem elektrischen Serienmodell auf, das der Wolfburger Autokonzern allerdings bereits ab November mit dem Kürzel Up anbieten will.
Zunächst als Zweisitzer, könnte der Kleinwagen weniger als 10 000 Euro kosten. Dennoch ist er keineswegs minimalistisch ausgestattet. Optional sogar mit einem Notbremsassistenten, der bei einer drohenden Karambolage selbsttätig bremst. Im nächsten Jahr ist mit einem Viertürer zu rechnen.

VW Up [Foto: Volkswagen]
 

So vielversprechend die alltagstauglichen Elektroautos auch sein mögen, die Verdrängung des traditionellen Auto-marktes hat noch nicht begonnen. Das zeigt sich auch am allgemeinen Retro-Trend, dem sogar unantastbare Legenden nicht entgehen können, wie Porsche und Mercedes auf der IAA beweisen. Legendäre Modelle verändern zu wollen, ist immer riskant. Bei der 911-Ikone Hand anzulegen im besonderen Maße. Doch für Porsche war es Zeit für einen Generationswechsel. In Frankfurt sieht man das Resultat: Der Neue wirkt in Details nur leicht verändert, optisch insgesamt kompakter. Was man nicht sieht: Er ist leichter, verbraucht dank Start-Stop-Automatik etwa 10 Prozent weniger Benzin und verfügt über wenige PS mehr Leistung. Alles in allem eine maßvolle Neuauflage, die den Vorgänger aber keineswegs vergessen macht. Im Gegenteil.
Auch Mercedes sorgt mit seinem als Weltpremiere präsentierten SLS für Aufsehen, denn der legendäre Sportwagen zeigt sich als Roadster. Der spektakuläre „Flügelschwung“ bleibt also aus, dafür schiebt sich bis Tempo 50 lediglich ein automatisches Verdeck hinter die Sitze. Wie sein Vorgänger ist der neue, offene SLS natürlich genauso für den Renneinsatz konzipiert. Mit neuem Multimedia-Bordsystem lassen sich Beschleunigung, Motorleistung, Runden- und Zwischenzeiten auf der Rennstrecke erfassen.Warum derartige Sportwagen immer noch bezaubern und zum andächtigen Innehalten einladen, hat natürlich mit ihrer Geschwindigkeit und Motorstärke zu tun. Aber genauso mit ihrem außergewöhnlichen Design. Deshalb kommt niemand auf der Autoschau am Ferrari 458 Italia vorbei. Ein Supersportwagen, der an Eleganz kaum zu übertreffen ist. Seine Form ist geschmeidig wie ein Raubtier, er liegt flach über dem Asphalt, als wollte er ihn berühren, und er ist so schnell und laut wie ein Rennwagen.

Zeit für einen Generationswechsel beim legendären Porsche [Foto: Porsche]
 

Man möchte ihn nur einmal fahren und würde danach wahrscheinlich noch lange von einem berauschenden Fahrgefühl schwärmen. Denn dieser Ferrari wiegt nur 1380 Kilogramm, sodass ihn sein 570-PS-V8-Benzinmotor zu einer Spitzengeschwindigkeit von 325 Kilometern pro Stunde treiben kann. Damit markiert er technologisch einen neuen Maßstab in der Sportwagenbranche. Über Spritverbräuche derartiger Sportwagen wird natürlich geflissentlich hinweggesehen. Als automobile Schönheit krönt der Ferrari allemal die Frankfurter Schau, deren Motto allerdings in eine andere automobile Zukunft weist.

Neue Geländegänger

Ein Auto mal nicht am Spritverbrauch oder CO2-Ausstoß zu messen, ist nahe-zu unmöglich geworden. Und einen Fahrbericht mit durstigem Verhalten zu beschließen, gliche einem Verdikt und würde beim Leser kaum eine positive Kaufentscheidung befördern. Das gilt sicherlich für die Autobranche im allgemeinen, doch im speziellen offenbar nicht. Denn jeder siebente Autokäufer entscheidet sich nach Presseberichten für einen SUV, also einen sportlichen Geländewagen. Und die zählen nicht gerade zu den spritsparenden Modellen.

Mercedes M [Foto: Daimler AG]


Den neuen Trend zu den kraftvollen Schwergewichten mit vorzugsweise Allradantrieb kann beispielsweise Audi nur bestätigen. Abgesehen davon, dass die Premiummarke sowieso im ersten Halbjahr rekordverdächtige Absatzzahlen verkündete, stieg sogar der Absatz des übergroßen Audi Q7 in Europa um mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Kein Wunder, wenn Audi mit dem Q3 nun auch Kunden bedienen will, die kleinere SUV-Modelle bevorzugen.

Audi Q3 [Foto: Audi]

Dass der Q3 mit 4,39 Metern Länge in die Kompaktklasse gehört, wie beispielsweise auch der BMW X1, ist unschwer zu erkennen. Optisch beeindruckt diese offenbar genau einen bestimmten Zeitgeschmack und auf eine bestimmte Käuferschicht abgestimmte Bauweise. Zumal der Q3 auch mit seiner Innenausstattung Premiumkunden sehr entgegenkommt: Die optionalen, sehr intelligenten technischen Extras lassen kaum einen Wunsch offen.
Zunächst gibt es als Auftakt der Baureihe zwei Benziner mit 170 und 211 PS und einen Diesel mit 177 PS. Später sollen noch andere Motorisierungen folgen. Dank des Einsatzes leichterer Materialien ist das Gewicht des Q3 vergleichsweise gering. Wog der Audi Q7 noch 2,3 Tonnen, kommt der Q3 mit weniger als 1,5 Tonnen aus. Was sich nicht übermäßig auf den Spritverbrauch auswirkt. Der beträgt durchschnittlich immer noch um die sieben Liter je hundert Kilometer mit Tendenz nach oben. Dafür ist die Fahrt im Q3 schnell, komfortabel, rundum angenehm. Ein ideales Reiseauto für die unterschiedlichsten Bedürfnisse.

Ferrari 458 Italia [Foto: Ferrari]

Wer eleganter unterwegs sein will, dem wird die neue M-Klasse von Mercedes näher sein. In dritter Generation kommt der Geländegänger ab November auf den Markt. Tatsächlich wirkt die neue M-Klasse stromlinienförmiger als der Vorgänger. Etliche Veränderungen – am auffälligsten sind die neuen Rückleuchten sowie die um die Ecken gezogene Heckscheibe – verleihen dem SUV ein fast exklusives Aussehen. Die hochwertigen Materialien und zahlreichen aus der E- und S-Klasse bekannten Assistenzsysteme im Innenraum unterstreichen noch diesen Eindruck. Wenn auch der Preis im Vergleich zum Audi Q3 mit rund 55.000 Euro für das Einstiegsmodell respektabel erscheint, so ist die neue M-Klasse immerhin sparsamer geworden. Der 2,2-Liter-Vierzylinder-Diesel mit 204 PS verbraucht nur sechs Liter. Damit erreicht der elegante Kraftsportler immerhin eine Höchstgeschwindigkeit von 224 Kilometern pro Stunde.

Reinhard Wahren

48 - Herbst 2011