Swinging in the Rain

Aus die Maus. Dahin ist längst der Sommer. Fortgeblasen vom Sturmwind wie die letzten goldenen Herbstblätter. Weggespült vom Strippenregen. War’s nicht grad noch frühlingswarm? Und jetzt kommt schon der harsche Herbst und hinterrücks mit ihm die nassen und kühlen Tage. Wo mal zahlreich Sommersprossen schossen, wachsen längst Gänsehäute. Pudelnass sind Hemd und Haar, denn es hat geschüttet wie aus großen Eimern. Und wir waren wieder nicht drauf vorbereitet. Für die wechselhaften Tage wünschen wir uns diesmal ein Regenkleid mit Esprit und Farbenfreude. Nicht so einen grauen, schwarzen, schlammigen Wettermantel, der uns fahl und formlos aussehen lässt und bei Nässe an unsere Beine klatscht. Schlechtwettergewöhnt, und mit einem kleinen Augenzwinkern sind uns die Engländer mal wieder eine Nase voraus, wenn es darum geht, in einen völlig verhagelten Tag doch noch die helle Freude zu zaubern.
Mal abgesehen von den konservativen Klassikern in Sachen Regenmode bricht sich beim Anblick innovativer modischer Schöpfungen auf der Traditionen verpflichteten und regenverwöhnten Insel gleich die herbstliche Sonne in den sphärischen Wassertropfen und löst sie auf in farbiges Gefunkel. Im glasklaren Licht der wie rein gewaschenen Landschaft schlägt Farbe ein märchenhaftes Rad: Rot und Gelb und Grün und Blau und Violett. Das Schönste am Regen ist doch der Regenbogen und sind sonst nur noch diese herrlich zickigen Jacken und Capes, die wir noch in der letzten Saison als Schnäppchen ergatterten.
Ein knirschendes Schmetterlingskleid nach dem andern streifen wir über unser neuestes zitronengelbes Oktoberfähnchen. Wir können uns gar nicht entscheiden. Durchsichtig wie Gelee sehen sie aus. Sie haben apfelsinenfarbene Kapuzen mit weißen Tupfen oder karibenwasserblaue Aufschläge oder zitronengelbe Kragen. Drunter schimmert unsere aufgekratzte Stimmung im Kettenhemd durch. So leicht kriegt uns der Winter nicht und nicht das schwarze Grauen in unserer Kleiderkammer. Wie gläsern verhüllt stehen wir im Regen, frösteln ein bisschen, sind aber ansonsten bester Laune. Christopher Raeburn, der junge britische Modedesigner und Absolvent des Royal College of Art, ist schuld. Er recycelte ausgediente Fallschirme und allerhand andere unverbrauchte und widerstandsfähige militärische Utensilien. Mit seinen bunten Mäntelchen setzt er dem Nieselregen bunte Lichter auf. Die sind so süß und antidepressiv, lauter Gute-Laune-Häute, an denen traurige Regenstimmung einfach nur abperlt.
Aber auch der Sachse ist erfinderisch und macht sogar aus Müll noch freche Jacken und Mäntel. Unter dem Namen „Regenmann“ ist der Chemnitzer Harry Hengst seit letztem Jahr dabei, ganz freche wetterbeständige Kleidung zu etablieren. Harry Hengst zerlegt ausrangierte Sonnenschirme, wäscht das nässeabweisende und feuerfeste Textil und schneidert daraus samt Logo feschen Regenschutz. „Jedes Stück ein Unikat“, freut er sich. „Bei mir bekommen die Sonnenschirme im Regen ein neues Leben.“ Da staunt der Friese in seinem „Nerz“, der nun immerhin auch schon mehr als vierzig Jahre der steifen Nordseebrise trotzt. Manchmal sieht man sie noch, die gummierten ­bananenfarbenen Jacken mit dem ­marineblauen Innenleben, die eigentlich mal für die Berufsfischer erfunden wurden, aber später und besonders in den siebziger und achtziger Jahren bei den Nordseetouristen sehr beliebt ­waren. Es gibt sie noch, die kastigen Kapuzenjacken mit den knallenden Druckknöpfen, und wenn man lange genug wartet, sind auch sie bald Kult. Kult, so wie die Barbourjacken aus England, die seit mehr als hundert Jahren Jäger und Landlord kleiden und längst auch als Stadtjacken der Besserverdienenden bei uns spazieren getragen werden.
So richtig abgeliebt sehen sie am besten aus. Was John Barbour einst begann, führt die Familie in vierter Generation fort. Die Jacken und langen Mäntel sind längst Klassiker und bei Wind und Wetter getragen einfach unschlagbar. Drinnen sind sie mit rotgewürfelten schottischen Tartans gefüttert, und sogar den Schaft der hauseigenen Gummistiefel zieren Karos. Mit Barbour liegt man immer richtig, wenn es um widerstandsfähige Kleider geht. Sie passen auch prima zu den Geländewagen, die­ sich in den Großstädten breit machen.

So variantenreich wie nie: schöne Gummistiefel für trübe [Foto: fotolia]


Barbours hat man ein Leben lang, man gibt sie nur hin und wieder zum Wachsen. Andere Traditionalisten haben andere Wetterkleider im Schrank hängen. Wer den Urvater aller Regenmäntel besitzt, hat ein für allemal ausgesorgt. Der Textilunternehmer Charles Macintosh erfand den gummierten Baumwollstoff 1818 und damit den Regenmantel für alle: den Macintosh. Dessen Vorläufer aus getränktem Segeltuch war ja eigentlich für Seeleute und Dockarbeiter gedacht. Auf Macintosh folgte 1879 Burberry mit Militärmänteln aus wasserabweisendem Gabardine. 1908 gab’s dann Regenmäntel für alle aus gewachster Baumwolle.
Auch die Burberrys erreichten im Schlechtwetterbereich Kultstatus. Man denke an Humphrey Bogart in „Casablanca“ und Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“. Der Kult hält an, und wer was auf sich hält, hat mindestens einen Burberry mit dem typischen Karo als Innenfutter im Kleiderschrank, zweireihig mit Regen- und Windblende samt Kapuzen und natürlich den beliebten Baumwolltrench mit passenden Gummistiefeln dazu. Ansonsten hat modische Regenkleidung ja gern so was Semiprofessionelles.
In rotem und schwarzem Lack mit Bindegürtel muss man schon die Unschuld vom Lande sein, um darin nicht billig auszusehen. Glück hat, wer so ein heiteres blumengemustertes Wachsmäntelchen von Marimekko im Internetbasar findet oder auf einem Flohmarkt einen Klarsichttrench mit weißen Kanten, wie ihn Mutti in den siebziger Jahren trug, mitsamt der durchsichtigen Kopftuchhaube. Gott, fanden wir das peinlich! Dabei sieht das klasse aus an jungen Ladies und lässt Shorts über Wollstrümpfen und Minis durchblitzen. Denn wer denkt denn bei dem einen oder anderen Schauer gleich an das Ende aller Sonnentage?

Inge Ahrens

 

Informationen
www.friesennerz.com
www.barbour.com
Harry Hengst, Chemnitz 0371/51 20 22
www.burberry
www.marimekko
www.christopherraeburn.co.uk

48 - Herbst 2011